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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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während ich wie ein verlorener, verlaufener Hund umherwanderte. Als ich über ein Feld ging, sah ich den Kirchturm vor mir. Ich eilte näher. In der Nähe des Friedhofs, inmitten eines Gartens stand ein kleines aber schön gebautes Haus, welches ich sofort für den Pfarrhof hielt. Es fiel mir ein, dass Fremde, welche ohne jemanden zu kennen in einen Ort kommen, wo sie irgendeine Beschäftigung suchen, sich zuweilen um Rat und Hilfe an den Geistlichen wenden. Es ist das Amt des Priesters, denen wenigstens mit seinem Rat zu helfen, welche sich selbst helfen wollen. Mir schien es, als hätte auch ich eine Art Anrecht, mir hier Rat zu holen. So belebte sich denn mein Mut von Neuem, und indem ich den letzten schwachen Rest meiner Kräfte zusammennahm, wanderte ich vorwärts. Ich erreichte das Haus und klopfte an die Küchentür. Eine alte Frau öffnete. Ich fragte, ob dies das Pfarrhaus sei.
    Ja.
    Ob der Pfarrer da wäre?
    Nein.
    Ob er bald nach Hause kommen würde?
    Nein, er sei unterwegs.
    Sehr weit?
    Nicht so sehr weit – vielleicht drei Meilen. Er sei durch den plötzlichen Tod seines Vaters gerufen worden; augenblicklich sei er in Marsh End und würde dort wahrscheinlich noch vierzehn Tage bleiben.
    Vielleicht wäre dann aber die Frau des Hauses da?
    Nein, außer ihr sei niemand da, und sie sei die Haushälterin. – Aber von ihr, mein Leser, konnte ich keine Hilfe erbitten, selbst wenn die Not mich fast zu Boden sinken ließ. Noch vermochte ich nicht zu betteln. Ich schleppte mich also weiter.
    Wieder löste ich mein Halstuch, wieder fielen mir die Brote im Ladenfenster des Dorfes ein. Ach, nur eine Brotkruste! Nur einen Bissen, um den Schmerz des Hungers zu lindern! Instinktiv wandte ich mich wieder dem Dorf zu, ich fand den Laden und trat ein, und obgleich sich außer der Frau noch mehrere Leute dort befanden, wagte ich doch die Bitte, ob sie mir nicht ein Brot für das Seidentuch geben wolle.
    Mit offensichtlichem Misstrauen blickte sie mich an. Nein, sie verkaufe ihre Ware niemals auf diese Weise.
    Fast verzweifelt bat ich um ein halbes Brot. Sie schlug es mir wieder ab. Wie könne sie denn wissen, wie ich zu dem Halstuch gekommen sei, sagte sie.
    Ob sie denn meine Handschuhe nehmen würde?
    Nein! Was sie damit denn anfangen solle?
    Mein Leser, es ist nicht angenehm, bei diesen Details zu verweilen. Es gibt Leute, welche behaupten, dass es Freude gewähre, auf qualvolle Erfahrungen der Vergangenheit zurückzublicken, aber bis auf den heutigen Tag ist es mirschmerzlich, auf die Zeit zurückzusehen, von welcher ich hier spreche. Die moralische Herabwürdigung und das physische Leiden bilden zusammen eine zu traurige Erinnerung, als dass man jemals gerne bei ihr verweilen würde. Ich tadelte keinen von denen, die mich zurückwiesen. Ich fühlte, dass es nichts anderes sei, als was ich zu erwarten hatte und was nicht zu ändern war. Ein gewöhnlicher Bettler ist schon häufig genug ein Gegenstand des Misstrauens, ein wohlgekleideter Bettler ist es stets. Zwar war das, was ich erbat, Arbeit; aber wessen Sache war es denn, mir Arbeit zu verschaffen? Gewiss nicht die von Leuten, die mich zum ersten Mal sahen und durchaus gar nichts über meinen Charakter wussten. Und was die Frau betraf, die ihr Brot nicht gegen mein Halstuch eintauschen wollte, so hatte sie unbedingt Recht, wenn das Anerbieten ihr verdächtig und der Tausch ihr nicht gewinnbringend erschien. Doch jetzt will ich mich kurz fassen, denn ich bin des Gegenstandes leid:
    Kurz vor Einbruch der Dunkelheit kam ich an einem Bauernhaus vorbei, an dessen geöffneter Tür der Bauer saß und sein Abendbrot verzehrte, es war Brot mit Käse. Ich blieb stehen und fragte:
    »Würden Sie mir wohl ein Stück Brot abgeben? Ich bin sehr hungrig.«
    Er warf einen erstaunten Blick auf mich, schnitt dann aber, ohne zu antworten, ein dickes Stück von seinem Brot ab und gab es mir. Ich vermute, dass er mich nicht für eine Bettlerin hielt, sondern nur für eine exzentrische Dame, welche von einem plötzlichen Appetit auf sein Schwarzbrot befallen war. Sobald ich außer Sichtweite war, setzte ich mich hin und begann zu essen.
    Ich konnte nicht hoffen, Zuflucht unter einem Dach zu finden, und deshalb suchte ich sie in jenem Wald, den ich zuvor schon erwähnt habe. Aber es war eine fürchterliche Nacht, ich fand keine Ruhe. Der Erdboden war feucht, die Luft kalt. Außerdem kamen mehr als einmal Leute vorüber,und ich hatte wieder und wieder mein Lager zu wechseln. Kein Gefühl

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