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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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das Kind achten!«, rief Bessie dem Begleiter zu, der mich in das Innere des Wagens hob.
    »Jaja«, war seine Antwort. Die Tür wurde wieder zugeschlagen, eine Stimme rief: »In Ordnung!«, und los ging es. So trennte ich mich von Bessie und von Gateshead – so fuhr ich davon, unbekannten und, wie ich damals glaubte, fernen und geheimnisvollen Regionen entgegen.
    Von jener Reise erinnere ich mich nur noch an wenige Einzelheiten. Ich weiß noch, dass der Tag mir von einer unnatürlichen Länge erschien, und dass es mir vorkam, als ob die Landstraße, auf welcher wir dahinfuhren, Hunderte von Meilen lang sei. Wir kamen durch verschiedene Orte, und in einem größeren hielt die Kutsche an. Die Pferde wurden ausgespannt, und die Passagiere stiegen aus, um zu Mittag zu essen. Ich wurde in ein Wirtshaus geführt, wo der Begleiter mich aufforderte, doch etwas zu essen. Da ich jedoch keinen Appetit hatte, ließ er mich in einem großen Zimmer allein, an dessen beiden Enden sich je ein Kamin befand; ein Kronleuchter hing von der Decke herab, und oben an der Wand war eine kleine, rote Galerie angebracht, auf der verschiedene Musikinstrumente lagen. In diesem Raum ging ich lange auf und ab. Mir war seltsam zumute, und ich hatte furchtbare Angst, dass jemand hereinkommen könnte, um mich zu rauben, denn ich glaubte an Kinderdiebe – ihre Untaten hatten in Bessies Kaminfeuererzählungen stets eine herausragende Rolle gespielt. Endlich kam der Begleiter zurück, noch einmal wurde ich in die Kutsche gehoben, das Horn erklang und wir rasselten über die steinigen Straßen von L*** davon.
    Nass und neblig kam der Nachmittag heran, und als schließlich die Dämmerung hereinbrach, begann ich zu fühlen, dass wir in der Tat schon weit von Gateshead entfernt sein mussten. Wir kamen durch keine Ortschaften mehr, und die Landschaft veränderte sich. Große, graue Hügel begannen den Horizont einzuschließen. Als es immer dunkler wurde, fuhren wir in ein düsteres, dicht bewaldetes Tal hinab, und lange nachdem die Nacht sich herabgesenkt undjede Aussicht unmöglich machte, hörte ich den wilden Sturm durch die Bäume rauschen.
    Dieses Rauschen lullte mich ein, endlich schlief ich fest. Doch hatte ich noch nicht lange geschlummert, als das plötzliche Ende der schaukelnden Bewegungen mich weckte. Die Tür der Postkutsche war geöffnet und eine Person, die wie eine Dienerin gekleidet war, stand davor. Beim Schein der Laterne konnte ich ihr Gesicht und ihre Kleidung erkennen.
    »Ist ein kleines Mädchen hier, welches Jane Eyre heißt?«, fragte sie. Ich antwortete »Ja!«, und wurde herausgehoben. Man setzte meinen Koffer ab, und augenblicklich fuhr der Postwagen weiter.
    Ich war steif vom langen Sitzen und ganz betäubt vom Lärm und von der Bewegung der Kutsche; nachdem ich mich gestreckt hatte, blickte ich umher. Regen, Wind und Dunkelheit füllten die Luft, trotzdem erkannte ich vor mir eine Mauer mit einer geöffneten Tür. Durch diese Tür geleitete mich meine neue Führerin, die die Pforte hinter uns sorgsam verschloss. Jetzt wurde ein Haus oder ein Komplex von Häusern sichtbar; es war ein Gebäude von großer Ausdehnung mit vielen, vielen Fenstern. Durch einige derselben fiel Lichterschein. Wir gingen einen breiten, mit Kies bestreuten Weg hinauf und wurden durch eine Tür in das Haus eingelassen, dann führte die Dienerin mich durch einen Korridor in ein Zimmer, wo ein helles Kaminfeuer brannte. Hier blieb ich allein.
    Ich stellte mich an die Glut und wärmte meine erstarrten Finger, dann blickte ich umher. Es brannte kein Licht, aber bei dem unsicheren Schein des Kaminfeuers konnte ich tapezierte Wände, einen Teppich, Vorhänge und glänzende Mahagonimöbel unterscheiden. Es war ein Wohnzimmer, zwar nicht so geräumig und prächtig wie der Salon in Gateshead Hall, aber dennoch hübsch und gemütlich. Ich war gerade damit beschäftigt, einen Kupferstich, welcher an derWand hing, genauer zu betrachten, als die Tür geöffnet wurde und eine Gestalt eintrat, welche ein Licht in der Hand trug; eine zweite folgte ihr auf dem Fuße.
    Die erste war eine schlanke Dame mit dunklem Haar, dunklen Augen und einer weißen, hohen Stirn. Ihre Gestalt wurde zum Teil durch einen Schal verhüllt, ihr Gesicht war ernst, ihre Haltung gerade.
    »Das Kind ist doch noch zu jung, um eine solche Reise allein zu machen«, sagte sie, indem sie das Licht auf den Tisch stellte. Eine Weile betrachtete sie mich aufmerksam, dann fügte sie hinzu:
    »Es wird gut

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