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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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Arms« gesagt hatte, wirklich ein trostloser Ort. Es war hier still wie in einer Kirche am Wochentag; der Regen, welcher ununterbrochen auf das Waldeslaub herabfiel, war der einzige Laut, der an mein Ohr schlug.
    ›Können hier lebende Wesen sein?‹, fragte ich mich.
    Ja, Leben irgendeiner Art war hier, denn ich vernahm ein Geräusch. Die schmale Haustür wurde geöffnet, und irgendjemand schickte sich an, aus dem Gebäude zu treten.
    Die Tür öffnete sich nur langsam, eine Gestalt trat in die Dämmerung hinaus, ein Mann ohne Hut, er streckte die Hand aus, wie um zu fühlen, ob es regne. Und obwohl es dunkel war, erkannte ich ihn gleich – es war mein Gebieter, Edward Fairfax Rochester, kein anderer!
    Ich blieb stehen, ich hielt den Atem an und verharrte, um ihn zu beobachten, ihn zu betrachten – von niemandem gesehen und leider auch unsichtbar für ihn.
    Es war eine sehr plötzliche Begegnung, und das Entzücken, welches sie mir verursachte, wurde tausendmal aufgewogen durch den Jammer, welchen ich bei seinem Anblick empfand. Es wurde mir nicht schwer, einen Aufschrei zurückzuhalten; ich fühlte mich nicht versucht, zu ihm zu eilen.
    Seine Gestalt hatte dieselben starken, kräftigen Umrisse wie früher; er trug sich noch aufrecht, sein Haar war rabenschwarz, seine Züge waren nicht verändert. Ein Jahr des Kummers und des Leides hatte nicht vermocht, seine athletische Stärke zu beugen, seine männliche Kraft zu brechen.Aber in seinem Gesichtsausdruck bemerkte ich eine Veränderung, denn dieser war düster und verzweifelt. Er erinnerte mich in seinem dumpfen Schmerz an ein gefesseltes wildes Tier oder an einen Vogel, dem man sich nicht ohne Gefahr nähern konnte: Ein gefangener Adler, dessen goldumränderte Augen durch Grausamkeit geblendet sind, würde so blicken wie dieser blinde Samson.
    Ach, mein Leser, glaubst du, dass ich ihn fürchtete in seiner blinden Wildheit? Wenn du dies meinst, so kennst du mich wenig. In meinen Schmerz mischte sich die süße Hoffnung, dass ich bald versuchen würde, einen Kuss auf diese Marmorstirn zu drücken, auf diese krampfhaft zusammengepressten Lippen … bald, aber jetzt noch nicht. Noch wollte ich ihn nicht anreden.
    Er stieg die Steinstufe hinunter und ging langsam und tastend auf den Grasplatz zu. Wo war sein kühner Schritt jetzt? Dann blieb er stehen, als ob er nicht wüsste, nach welcher Seite er sich wenden sollte. Er hob die Hand und öffnete die Augenlider, richtete – wie es schien, mit großer Anstrengung – den Blick zum Himmel hinauf und sah dann auf das Amphitheater des Waldes. Aber für ihn war alles Leere und Dunkelheit. Er streckte die rechte Hand aus, den verstümmelten linken Arm hielt er in der Brusttasche verborgen. Es war, als wünschte er aus der Berührung zu erkennen, was in seiner nächsten Umgebung sei. Aber auch hier fand er nur leeren Raum, denn die Baumreihen fingen erst mehrere Ellen weiter entfernt an. Dann gab er seine Bemühungen auf, verschränkte die Arme und stand ruhig und stumm im Regen, der jetzt unablässig auf seinen unbedeckten Kopf fiel.
    In diesem Augenblick trat John, den ich zuvor nicht bemerkt hatte, an ihn heran.
    »Sir, wollen Sie meinen Arm nehmen?«, fragte er. »Ein gar heftiger Regenschauer zieht herauf. Es wäre besser, wenn Sie ins Haus gingen.«
    »Lass mich allein!«, lautete die Antwort.
    John zog sich zurück, ohne meiner ansichtig geworden zu sein. Jetzt versuchte Mr. Rochester einen kleinen Gang, aber es war vergebens: Er war zu unsicher. Er tastete sich zum Haus zurück, trat hinein und schloss hinter sich die Tür.
    Nun ging auch ich näher und klopfte an. Johns Frau öffnete mir die Tür.
    »Mary«, sagte ich, »wie geht es Ihnen?«
    Sie erschrak, als ob sie ein Gespenst gesehen hätte. Ich beruhigte sie. Auf ihren hastigen Ausruf: »Sind Sie es wirklich, Miss, die in so später Stunde an diesen einsamen Ort kommt?«, antworte ich nur, indem ich ihre Hand erfasste. Dann folgte ich ihr in die Küche, wo John jetzt vor einem hell lodernden Feuer saß.
    In wenigen Worten erklärte ich ihnen, dass ich bereits von allem wisse, was sich zugetragen, seit ich Thornfield verlassen hatte, und dass ich gekommen sei, um Mr. Rochester zu sehen. Ich bat John, zur Zollschranke hinunterzugehen und mir mein Eigentum heraufzubringen; dem Wärter dort hatte ich meinen Koffer anvertraut, nachdem ich die Chaise entlassen hatte. Dann legte ich Hut und Schal ab und fragte Mary vorsichtig, ob man für eine Nacht wohl Unterkunft

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