Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)
verschlagen war wie eine Hexe, ihr manchmal den Schlüssel aus der Tasche, schlich sich aus der Tür, wanderte im Haus umher und richtete alles Unheil an, das ihr so in den Kopf kam. Die Leute sagen, dass sie einmal ihren eigenen Gatten beinahe in seinem Bett verbrannt hätte, aber ich weiß nicht, ob das wahr ist. An einem Abend steckte sie jedoch zuerst die Vorhänge in dem Zimmer an, welches dem ihren am nächsten lag. Dann stieg sie hinunter in das zweite Stockwerk, schlich sich in das Zimmer, das einst der Gouvernante gehört hatte, und zündete dort das Bett an. Es war, als hätte sie eine Ahnung von dem gehabt, was sich zugetragen hatte, und als hasste sie das arme Mädchen nun. Zum Glück schlief aber niemand in dem Bett: Die Gouvernante war zwei Monate zuvor fortgelaufen, und obgleich Mr. Rochester sie suchte, als wenn sie das kostbarste Juwel auf Erden wäre, so konnte er doch nicht das Geringste über sie in Erfahrung bringen. Er wurde darüber ganz wild. War er zuvor schon kein milder Mann gewesen, so wurde er, nachdem er sie verloren hatte, geradezu gefährlich. Er wollte ganz allein sein. Die Haushälterin Mrs. Fairfax schickte er weit fort zu ihren Verwandten, wobei er aber so anständig war, ihr eine lebenslange Rente auszusetzen. Sie verdiente es auch, denn sie war eine herzensgute Frau. Miss Adèle, sein Mündel, das ebenfalls im Haus war, wurde in eine Schule geschickt. Und er brach jeden Verkehr mit dem benachbarten Adel ab und lebte im Herrenhaus wie ein Eremit.«
»Was? Hat er England nicht verlassen?«
»England verlassen? Gott segne Sie, nein! Er ist nicht mehr über die Schwelle des Hauses gegangen, ausgenommen bei Nacht, wenn er wie ein Geist im Park und im Obstgarten umherlief und tobte, als wäre er von Sinnen. Und meiner Meinung nach war er das auch. Denn Sie konnten keinen lustigeren, kühneren, frischeren Herrn als ihn sehen, bevor das kleine Ding von Gouvernante ihm in den Weg kam. Er war weder ein Spieler, noch ein Trinker; er kümmerte sich nicht einmal um die Pferdegeschichten, wie so viele es tun. Er war auch nicht besonders schön, aber er hatte Mut und einen so festen Willen, wie ihn nur jemals ein Mann besaß. Sehen Sie, ich habe ihn seit seinen Knabenjahren gekannt, und was mich anbetrifft, so habe ich oft gewünscht, Miss Eyre wäre im tiefsten Meer ertrunken, ehe sie nach Thornfield Hall kam.«
»Mr. Rochester war also zu Hause, als das Feuer ausbrach?«
»Ja, gewiss war er das. Er lief hinauf in die Dachkammern, als oben und unten schon alles brannte, rettete die Dienerschaft aus ihren Betten und half ihnen selbst hinunter. Und dann lief er noch einmal zurück, um seine wahnsinnige Gattin aus ihrer Zelle zu holen. Da riefen sie ihm zu, dass sie auf dem Dache stehe; und da stand sie auch und schlug mit den Armen um sich, oben auf den Zinnen, und dabei schrie sie, dass man sie eine Meile weit hörte. Ich habe sie mit meinen eigenen Augen und Ohren gesehen und gehört. Sie war eine große, starke Frau und hatte langes, schwarzes Haar; wir sahen es im Wind flattern, während die Flammen schon an ihr emporschlugen. Ich sah es, und noch viele andere haben es gesehen, wie Mr. Rochester durch das Oberlicht auf das Dach stieg. Wir hörten ihn ›Bertha!‹ rufen, wir sahen, wie er sich ihr näherte. Und da, Madam, stieß sie einen furchtbaren Schrei aus und tat einen Sprung – und im nächsten Augenblick lag sie zerschmettert auf der Steinrampe der Terrasse.«
»Tot?«
»Tot? O ja, so tot wie die Steine, auf denen ihr Gehirn und ihr Blut verspritzt waren.«
»Großer Gott!«
»Das mögen Sie wohl sagen, Madam, es war fürchterlich!«
Er schauderte.
»Und dann?«, fragte ich.
»Nun, Madam, dann brannte das Haus bis auf den Grund nieder. Es stehen nur noch einige Mauerreste.«
»Sind noch mehr Menschenleben verloren?«
»Nein. Aber es wäre vielleicht besser gewesen.«
»Was wollen Sie damit sagen?«
»Armer Mr. Edward!«, rief er aus. »Dass ich das noch würde erleben müssen, hätte ich nicht gedacht. Einige sagen, das sei die gerechte Strafe, weil er seine erste Heirat geheim halten und eine zweite Frau nehmen wollte, während die erste noch lebte. Aber mir tut er doch von Herzen leid.«
»Aber Sie sagten doch, dass er lebt!«, rief ich aus.
»Ja, ja, er lebt. Aber manche meinen, dass es besser für ihn wäre, tot zu sein.«
»Weshalb? Wie?« Das Blut erstarrte mir fast in den Adern. »Wo ist er?«, fragte ich. »Ist er in England?«
»Ja, ja, er ist in England.
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