Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)
Aufregung in seinem Herzen zu öffnen. Mein einziger Zweck war jetzt, ihn zu erheitern. Und wie gesagt, aufgemuntert hatte ich ihn bereits, wenn auch nur stellenweise. Trat eine Pause in der Unterhaltung ein, so wurde er wieder ruhelos, berührte mich und sagte: »Jane. Bist du wirklich ein menschliches Wesen, Jane? Bist du dessen ganz gewiss?«
»Davon bin ich aufs Gewissenhafteste überzeugt, Mr. Rochester.«
»Wie war es aber möglich, dass du so plötzlich an diesem trüben, trostlosen Abend an meiner einsamen Feuerstelle stehen konntest? Ich streckte meine Hand aus, um von einem Dienstboten ein Glas Wasser zu nehmen – und du reichtest es mir. Ich tat eine Frage und erwartete, dass Johns Frau mir antworten würde – und deine Stimme schlug an mein Ohr.«
»Weil ich an Marys Stelle mit dem Tablett ins Zimmer getreten war.«
»Und ein wahrer Zauber liegt in der Stunde, die ich jetzt mit dir verbringe. Niemand weiß, welch ein trostloses, düsteres und hoffnungsloses Leben ich seit Monaten geführt habe! Ich tat nichts mehr und erwartete nichts mehr; der Tag ging in die Nacht über, ohne dass ich es merkte. Ich empfand Kälte, wenn ich das Feuer hatte erlöschen lassen, und Hunger, wenn ich vergessen hatte zu essen; dann einen niemals endenden Schmerz und zuweilen ein an Wahnsinn grenzendes Verlangen, meine Jane noch einmal wiederzusehen. Ja, ich sehnte mich danach, dass sie mir wiedergegeben werde, weit mehr als danach, dass ich das verlorene Augenlicht wieder erhielte. Wie ist es möglich, dass Jane bei mir ist und sagt, dass sie mich liebt? Wird sie nicht ebenso plötzlich wieder verschwinden, wie sie gekommen ist? Oh, ich fürchte, dass ich sie morgen nicht wiederfinde.«
Ich war überzeugt, dass es in dieser Stimmung das Beste für ihn sein würde, wenn ich ihm eine ganz triviale, praktische Antwort gäbe, die nichts mit seinem augenblicklichen, erregten Gedankengang zu tun hatte. Ich ließ also den Finger über seine Augenbrauen gleiten und bemerkte, dass sie zwar versengt wären, dass ich aber ein Mittel kennen würde, um sie wieder so dick und schwarz wie früher zu machen.
»Was nützt es, mir irgendetwas Gutes zu tun, wohltätiger Geist, wenn du mich in einem verhängnisvollen Augenblick doch wieder verlassen willst? Wenn du mir entschwindest wie ein Schatten, ohne dass ich weiß, weshalb und wohin, und dann für mich unauffindbar bleibst?«
»Haben Sie einen Taschenkamm, Sir?«
»Zu welchem Zweck, Jane?«
»Nur, um diese raue, schwarze Mähne auszukämmen. Wenn ich Sie genau betrachte, flößen Sie mir beinahe Furcht ein. Sie sagen, ich sei wie eine Fee, aber ich finde, dass Sie einem Kobold ähnlich sind.«
»Bin ich abschreckend hässlich, Jane?«
»Sehr hässlich, Sir. Sie wissen, das waren Sie ja stets.«
»Hm! Nun, wo du auch gewesen sein magst, deine Bosheit hat sich doch erhalten.«
»Und doch bin ich bei guten Menschen gewesen, bei Menschen, die viel besser sind als Sie, hundertmal besser als Sie. Die Ansichten und Gedanken hegen, welche Sie niemals in Ihrem ganzen Leben gekannt haben; die viel feiner und gebildeter sind als Sie!«
»Bei wem zum Teufel warst du denn?«
»Wenn Sie sich nicht ruhig verhalten, so muss ich Ihnen Ihre schönen Locken ausreißen, und dann werden Sie hoffentlich jeden Zweifel an meiner Wirklichkeit aufgeben.«
»Bei wem bist du gewesen, Jane?«
»Heute Abend werden Sie das nicht mehr aus mir herausbringen, Sir, Sie müssen bis morgen warten. Sie wissen,es ist eine Art von Sicherheit für Sie, dass ich morgen früh wieder am Frühstückstisch erscheine, wenn ich meine Geschichte heute Abend nur halb erzähle. Doch da fällt mir ein, dass ich dann nicht nur mit einem Glas Wasser an Ihrem Feuer erscheinen darf; zum Frühstück muss ich doch wenigstens ein Ei mitbringen, von gebratenem Schinken gar nicht zu reden.«
»Du spöttischer Wechselbalg – von Feen geboren und von Menschen erzogen! Seit zwölf Monaten habe ich nicht empfunden, was ich heute durch dich empfinde. Wenn Saul dich anstelle von David hätte haben können, so wäre der böse Geist auch ohne die Harfe beschworen.«
»Nun Sir, endlich habe ich Sie wieder anständig hergerichtet. Jetzt will ich Sie verlassen. Ich bin seit zwei Tagen auf der Reise und fühle mich sehr ermattet. Gute Nacht!«
»Noch ein einziges Wort, Jane! Waren nur Damen in dem Haus, wo du lebtest?«
Ich lachte laut auf und entwand mich ihm. Und als ich die Treppe hinauflief, lachte ich noch immer.
›Eine gute
Weitere Kostenlose Bücher