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Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
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klein und bleich zu sein, so unregelmäßige, markante Züge zu haben. Aber weshalb hatte ich diese Wünsche, dieses Verlangen, ja dieses Bedauern? Das ist schwer zu sagen. Damals hätte ich mir keine klare Rechenschaft darüber geben können, indessen gab es einen Grund, und einen logischen noch dazu. – Als ich mein Haar sehr sorgsam gekämmt und mein schwarzes Kleid angezogen hatte, welches trotz seiner Quäkerhaftigkeit das Verdienst hatte, aufs Genaueste zu passen, als ich eine reine, weiße Halskrause umgebunden hatte, glaubte ich sauber und respektabel genug auszusehen, um vor Mrs. Fairfax erscheinen zu können. Von meiner Schülerin hoffte ich, dass sie wenigstens nicht mit Widerwillen vor mir zurückschrecken werde. Nachdem ich das Fenster geöffnet und mich vergewissert hatte, dass ich auf dem Toilettentisch alles sauber und ordentlich zurückließ, wagte ich mich hinaus.
    Nachdem ich die lange, mit Teppichen bedeckte Galerie entlanggegangen war, stieg ich die glänzend blanke Eichentreppe hinunter, dann kam ich in die Halle. Hier verweilte ich eine Minute und betrachtete die Bilder an den Wänden – noch heute erinnere ich mich an diese: Der eine stellte einenfinster aussehenden Mann mit Brustharnisch dar, der andere eine Dame mit gepuderten Haaren und einem Perlenhalsband. Eine Bronzelampe hing von der Decke herab, und es gab eine große, alte Wanduhr, deren Gehäuse aus Eiche seltsam geschnitzt und durch die Zeit schwarz und blank wie Ebenholz geworden war. Alles erschien mir sehr stattlich und imposant – aber ich war ja auch so wenig an Glanz und Pracht gewöhnt. Die Tür nach draußen, welche halb aus Glas war, stand offen. Ich überschritt die Schwelle, es war ein herrlicher Herbstmorgen. Die Sonne schien auf bunt gefärbtes Laub und noch immer grüne Felder herab. Ich ging auf den freien Platz hinaus und betrachtete die Front des Herrenhauses. Es war drei Stockwerke hoch und von großen, jedoch nicht überwältigenden Proportionen – eher das Herrenhaus eines Gentlemans als der Landsitz eines Edelmannes. Die Zinnen auf dem Dach gaben dem Haus ein pittoreskes Aussehen. Die graue Front hob sich hübsch von den Krähennestern im Hintergrund ab. Deren krächzende Bewohner waren gerade unterwegs: Sie flogen über den Rasen und den Park, um sich auf einer großen Wiese niederzulassen, von welcher die Anlagen durch einen Graben getrennt waren. Auf dieser Wiese stand eine lange Reihe alter, starker, knorriger Dornenbäume, mächtig wie Eichen, welche sofort die Etymologie der Benennung des Herrenhauses erklärten. In der Ferne waren Hügel – nicht so hoch, gezackt und barrierenartig wie jene um Lowood, welche einen von der übrigen Welt abschlossen, aber stille, einsame Hügel, die Thornfield eine Abgeschiedenheit verliehen, die ich in der lebhaft-bewegten Nähe Millcotes niemals vermutet hätte. Ein kleiner Weiler, dessen Dächer von Bäumen überschattet waren, zog sich an einem der Hügel hinauf; die Kirche des Distrikts stand näher an Thornfield, ihr alter Turm sah über einen Hügel zwischen dem Hause und den Parkpforten hervor.
    Ich erfreute mich noch an der friedlichen Aussicht undan der frischen, angenehmen Luft, horchte noch mit Entzücken auf das Krächzen der Krähen, blickte noch auf die große, von der Zeit geschwärzte Front des Hauses und dachte bei mir, welch ein weitläufiger Aufenthalt es für eine einzelne kleine Dame wie Mrs. Fairfax sei, als diese in der Tür erschien.
    »Was, schon draußen?«, sagte sie. »Ich sehe, Sie sind gewohnt, früh aufzustehen.« Ich ging zu ihr und wurde mit einem herzlichen Händedruck und einem Kuss begrüßt.
    »Wie gefällt Ihnen Thornfield?«, fragte sie. Ich sagte ihr, dass ich es sehr schön fände.
    »Ja«, entgegnete sie, »es ist ein reizendes Fleckchen, aber ich fürchte, es wird vernachlässigt werden, wenn Mr. Rochester es sich nicht überlegt, herzukommen und permanent hier zu residieren oder wenigstens häufiger zu Besuch zu kommen. Große Häuser und schöne Parks erfordern die Anwesenheit ihres Besitzers.«
    »Mr. Rochester?«, rief ich aus. »Wer ist das?«
    »Der Besitzer von Thornfield«, antwortete sie ruhig. »Wussten Sie nicht, dass er Rochester heißt?«
    Keineswegs wusste ich das – ich hatte ja noch niemals von ihm gehört! Aber die alte Dame schien sein Dasein für ein allgemein bekanntes Faktum zu halten, das jedermann geläufig sein musste.
    »Ich glaubte«, fuhr ich fort, »dass Thornfield Ihr Eigentum wäre.«
    »Mein

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