Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)

Titel: Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Brontë
Vom Netzwerk:
kam mir schnell und freundlich entgegen.
    »Wie geht es Ihnen, meine Liebe? Ich fürchte, dass Sie eine sehr langweilige Fahrt gehabt haben – John fährt so langsam. Es muss Ihnen doch kalt sein, kommen Sie ans Feuer.«
    »Mrs. Fairfax, nehme ich an?«, fragte ich.
    »Die bin ich. Bitte, nehmen Sie Platz!«
    Sie führte mich zu ihrem eigenen Stuhl und begann dort, mir meinen Schal abzunehmen und meine Hutbänder zu lösen. Ich bat sie, sich meinetwegen keine Umstände zu machen.
    »Oh, das sind keine Umstände. Ihre eigenen Hände müssen vor Kälte ja ganz erstarrt sein. Leah, bereite ein wenig Glühwein und ein paar Butterbrote; hier sind die Schlüssel zur Speisekammer.«
    Mit diesen Worten zog sie ein sehr hausfrauliches Schlüsselbund aus ihrer Tasche und übergab es der Dienerin.
    »Und jetzt rücken Sie näher an das Feuer«, fuhr sie fort. »Nicht wahr, meine Liebe, Sie haben Ihr Gepäck mitgebracht?«
    »Jawohl, Madam.«
    »Ich werde dafür sorgen, dass man es auf Ihr Zimmer trägt«, sagte sie und trippelte geschäftig hinaus.
    »Sie behandelt mich wie einen Gast«, dachte ich. »Solch einen Empfang habe ich wahrlich nicht erwartet. Ich sah nichts als Kälte und Steifheit voraus; dies gleicht wenig den Erzählungen, die ich von der Behandlung der Gouvernanten gehört habe. – Aber ich darf nicht zu früh jubeln.«
    Sie kehrte zurück und räumte selbst ihr Strickzeug und mehrere Bücher vom Tisch, um Platz für das Speisetablett zu machen, welches Leah jetzt brachte. Dann bediente sie mich. Ich war ein wenig verwirrt, mich als Gegenstand so ungewohnter Aufmerksamkeit zu sehen, und das noch obendrein von meiner Brotherrin. Da diese selbst aber gar nicht zu finden schien, dass sie etwas tat, was unüblich wäre, hielt ich es für das Beste, ihre Liebenswürdigkeit ruhig hinzunehmen.
    »Werde ich das Vergnügen haben, Miss Fairfax noch heute Abend zu sehen?«, fragte ich, nachdem ich von dem probiert hatte, was sie mir vorgesetzt hatte.
    »Was sagten Sie, meine Liebe? Ich bin ein wenig taub«, entgegnete die gute Dame, indem sie ihr Ohr meinem Mund näherte.
    Deutlicher wiederholte ich die Frage.
    »Miss Fairfax? Oh, Sie meinen Miss Varens! Varens ist der Name Ihrer künftigen Schülerin.«
    »In der Tat? Dann ist sie also nicht Ihre Tochter?«
    »Nein. – Ich habe keine Familie.«
    Eigentlich wollte ich meiner Frage noch einige andere folgen lassen und mich erkundigen, in welcher Weise Miss Varens denn mit ihr verwandt sei; aber ich erinnerte mich glücklicherweise noch zur rechten Zeit, dass es nicht höflich sei, so viele Fragen zu stellen. Überdies wusste ich ja, dass ich mit der Zeit sicher alles erfahren würde.
    »Ich bin so froh«, fuhr sie fort, indem sie sich mir gegenübersetzte und die Katze auf ihren Schoß nahm, »ich bin so froh, dass Sie gekommen sind. Jetzt wird das Leben hier mit einer Gefährtin ganz angenehm sein. Nun, es ist wohl auch sonst ganz angenehm, denn Thornfield ist ein prächtiger alter Herrensitz; während der letzten Jahre ist es allerdings ein wenig vernachlässigt worden. Immerhin ist es ein stattlicher Ort. Aber Sie können sich vorstellen, selbst in dem schönsten Haus fühlt man sich zur Winterszeit unglücklich wenn man ganz allein ist. Ich sage allein – Leah ist gewiss ein liebes Mädchen, und John und sein Weib sind anständige, brave Leute; aber sehen Sie, es sind doch immer nur Dienstboten, und man kann nicht mit ihnen wie mit seinesgleichen verkehren. Man muss immer zehn Schritte Abstand halten, aus Furcht, seine Autorität zu verlieren. Sie können mir glauben, im letzten Winter – er war sehr streng, wenn Sie sich erinnern können, und wenn es nicht schneite, tobte der Wind und es regnete – kam vom November bis zum Februar nicht eine lebende Seele in dies Haus, mit Ausnahme des Schlachters und des Postboten. Und ich wurde wahrhaftig ganz melancholisch, wie ich so Abend für Abend allein dasaß. Zwar musste Leah mir zuweilen vorlesen, aber ich fürchte, dass das arme Mädchen von dieser Aufgabe nicht sonderlich entzückt war; sie kam sich dabei wohl wie eine Gefangene vor. Im Frühling und Sommer ging es dann natürlich besser. Sonnenschein und lange Tage machen einen großen Unterschied. Und zu Anfang diesesHerbstes kam die kleine Adèle Varens mit ihrem Kindermädchen; ein Kind bringt ja sofort Leben ins Haus. Und jetzt, da auch Sie hier sind, werden wir am Ende gar noch ganz lustig und vergnügt werden.«
    Als ich die würdige alte Dame so plaudern

Weitere Kostenlose Bücher