Jane Eyre (Schöne Klassiker) (German Edition)
Eigentum? Gott segne Sie, Kind! Welche eine Idee! Mein Eigentum? Ich bin nur die Haushälterin, die Verwalterin. Allerdings bin ich durch die Familie seiner Mutter entfernt mit den Rochesters verwandt, oder wenigstens war mein Gatte es: Er war ein Geistlicher, Pfarrer von Hay – jenes kleine Dorf da drüben auf dem Hügel –, und die Kirche neben der Parkpforte war die seine. Die Mutter des jetzigen Mr. Rochester war eine Fairfax und meines Mannes Cousine zweiten Grades. Aber ich bilde mir aufdiese Verwandtschaft nichts ein und erlaube mir deshalb keine Freiheiten – in der Tat, ich mache mir gar nichts daraus. Ich betrachte mich selbst als ganz gewöhnliche Haushälterin; mein Brotherr ist immer höflich, und mehr erwarte ich nicht.«
»Und das kleine Mädchen – meine Schülerin?«
»Sie ist Mr. Rochesters Mündel; er beauftragte mich, eine Gouvernante für sie zu suchen. Ich glaube, dass er die Absicht hegt, sie in ***shire erziehen zu lassen. Da kommt sie ja mit ihrer
bonne
, wie sie ihr Kindermädchen nennt.« Das Rätsel war also gelöst: Diese freundliche und gütige kleine Witwe war keine große Dame, sondern eine Untergebene wie ich selbst. Deshalb war sie mir aber nun nicht weniger lieb; im Gegenteil, ich fühlte mich wohler als zuvor. Die Gleichheit zwischen ihr und mir bestand wirklich, sie war nicht das Resultat bloßer Herablassung von ihrer Seite. Umso besser – meine Stellung war so viel unabhängiger.
Während ich noch über diese Entdeckung nachdachte, kam ein kleines Mädchen, welchem eine Begleiterin folgte, über den Rasen gelaufen. Ich betrachtete meine Schülerin, die mich anfangs nicht zu bemerken schien. Sie war noch ein Kind, vielleicht sieben oder acht Jahre alt, zart gebaut, blass, mit kleinen Gesichtszügen und einem Überfluss von Haar, das in Locken über die Schultern wallte.
»Guten Morgen, Miss Adèle«, sagte Mrs. Fairfax. »Kommen Sie her und begrüßen Sie diese Dame, welche Ihre Lehrerin sein wird, damit Sie eines Tages eine gescheite Frau werden.« Die Kleine kam näher.
»C’est là ma gouvernante?«, fragte sie ihr Kindermädchen, wobei sie auf mich zeigte.
Das Kindermädchen antwortete: »Mais oui, certainement.«
»Sind es Ausländerinnen?«, fragte ich, ganz erstaunt, die französische Sprache zu hören.
»Das Kindermädchen ist eine Ausländerin und Adèlewurde auf dem Kontinent geboren; ich glaube auch, dass sie bis vor sechs Monaten noch dort war. Als sie herkam, konnte sie kein Wort Englisch; jetzt hat sie es schon zu ein paar Brocken gebracht. Ich verstehe sie zwar nicht, denn sie vermischt es so sehr mit dem Französischen, aber ich vermute, dass Sie sehr gut begreifen werden, was sie meint.«
Zum Glück hatte ich den Vorzug genossen, Französisch von einer Französin zu lernen. Ich hatte mich stets bemüht, so viel wie möglich mit Madame Pierrot zu reden, hatte während der letzten sieben Jahre täglich mehrere Seiten Französisch auswendig gelernt sowie hart an meinem Akzent gearbeitet und versucht, so genau wie möglich die Aussprache meiner Lehrerin nachzuahmen – kurz, ich verfügte über einen Grad der Sprachfertigkeit, welcher mich in den Stand setzen sollte, im Gespräch mit Mademoiselle Adela nicht verloren zu sein. Als sie hörte, dass ich ihre Gouvernante sei, kam sie auf mich zu und reichte mir die Hand. Ich führte sie in das Frühstückszimmer und versuchte einige Worte in ihrer Muttersprache. Anfangs antwortete sie sehr kurz, aber nachdem wir am Tisch Platz genommen hatten und sie mich ungefähr zehn Minuten mit ihren großen hellbraunen Augen angesehen hatte, begann sie plötzlich ganz geläufig zu plaudern.
»Ach«, rief sie auf Französisch. »Sie sprechen meine Muttersprache ebenso gut wie Mr. Rochester, ich kann mit Ihnen reden wie mit ihm, und Sophie kann es auch. Sie wird glücklich sein, denn hier kann sie niemand verstehen. Madam Fairfax ist durch und durch Engländerin! Sophie ist mein Kindermädchen; sie ist mit mir über das Meer gekommen, auf einem großen Schiff mit einem Schornstein, der rauchte – und wie er rauchte! Und ich war krank, und Sophie war es auch und Mr. Rochester auch. Mr. Rochester legte sich auf ein Sofa in einem hübschen Zimmer, das Salon genannt wurde, und Sophie und ich hatten kleine Betten in einem anderen Zimmer. Beinahe wäre ich aus meinem herausgefallen,es war ganz wie ein Brett. Und, Mademoiselle – wie heißen Sie?«
»Eyre – Jane Eyre.«
»Aire? Bah! Das kann ich nicht aussprechen. Nun
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