Jane's Journey: Die Lebensreise der Jane Goodall
nahenden Winters der erste Schnee gefallen und hat das alte, im viktorianischen Stil erbaute Backsteinhaus und seinen Garten mit den vielen Steinfiguren mit einer dünnen weißen Schicht überzogen. Alle Zimmer des Hauses sind dunkel, nur ganz oben, im Giebel, dringt durch ein kleines Fenster ein gemütliches Licht heraus und lässt eine Silhouette erkennen, die sich hinter der erleuchteten Scheibe bewegt.
Während sie ruhig und konzentriert ein Teil nach dem anderen in den Koffer legt, denkt sie auch darüber nach, was auf der vor ihr liegenden Reise alles passieren wird. Vieles wird so sein wie immer, und so manches völlig neu, aber sie ist für alles offen und freut sich auf alles, was geschehen könnte. Eines könnte wieder passieren, denkt sie amüsiert, was sie früher, als es noch häufiger vorkam, aufgeregt hat. Inzwischen ist es selten geworden, und wenn, dann nimmt sie es mit Gelassenheit und Humor: die Tatsache, dass sie verwechselt wird.
Unterwegs wird sie oft von vielen Menschen erkannt und höflich angesprochen, auf der Straße, am Flughafen oder in der Lobby eines Hotels, sie wollen mit ihr reden oder sie um ein Autogramm bitten, das sie ihnen bereitwillig geben wird. Und es kann sein, dass sie von manchen Menschen mit den Worten angesprochen wird: »Ich habe ihren Film gesehen, ›Gorillas im Nebel‹, und ich fand ihn wunderbar!« In diesem Fall wird sie mit einem feinen und freundlichen Lächeln antworten: »So, Sie fanden ihn wunderbar. Erinnern Sie sich, dass die Dame am Ende getötet wurde?« Und dann wird sie wie üblich eine kurze Pause machen, um die Überraschung und die Verlegenheit ihres Gegenübers auszukosten, und dann nachsichtig lächelnd hinzusetzen: »Sehen Sie, ich bin noch am Leben!«
Natürlich ist sie am Leben, denn sie ist nun einmal nicht Dian Fossey, sie ist Jane Goodall.
In ihrem Leben als Jane Goodall ist sie an dreihundert Tagen im Jahr in der ganzen Welt unterwegs, hält Vorträge und besichtigt Projekte des nach ihr benannten Instituts. Nur noch selten ist sie in ihrer Heimat England, und wenn, dann lebt sie dort, wo sie auch einen großen Teil ihrer Kindheit und ihre Jugend verbracht hat. Sie fühlt sich geborgen in The Birches, dem »Birkenhof« in Bournemouth, unweit der Kanalküste, der schon ihrer Großmutter gehört hatte. Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs, als Jane fünf Jahre alt war, wurde The Birches ihr Heim und ihr Zufluchtsort, und das würde es immer bleiben. Auch wenn oder gerade weil in den vergangenen drei Jahrzehnten das Reisen von Ort zu Ort, von einem Erdteil zum anderen, ihr Lebensinhalt geworden war, und sie manchmal morgens beim Aufwachen überlegen muss, in welcher Stadt oder in welchem Land ihr Hotelbett steht.
Jane Goodall schließt ihren Koffer und sieht sich noch einmal in ihrem Zimmer um, das Erinnerungsstücke an ihre Aufenthalte auf fünf Kontinenten beherbergt. Kofferpacken ist für sie zur Routine geworden und geht ihr schnell von der Hand, auch deswegen, weil sie mit wenig auskommt auf ihren Reisen. Zwei Koffer und eine Reisetasche mit Kleidung und Unterlagen, das ist meist ihr ganzes Gepäck. Immer dabei sind ein kleiner Tauchsieder, damit sie sich im Hotelzimmer Kaffee zubereiten kann, ein alter Nylonstrumpf als waschbarer Kaffeefilter, eine Dose mit Trockenmilch und … eine Plastikflasche mit Whiskey, umgefüllt aus der Glasflasche, um Gewicht einzusparen! Und das Wichtigste, das sie auch auf dieser Reise begleiten wird, kommt ohnehin niemals in einen der Koffer: »Mr. H.«, ein kleiner, grauer Stoffaffe, der gerade in eine frisch geschälte Stoffbanane beißen will. Er hatte ihr, während sie ihre Sachen packte, die ganze Zeit von der Fensterbank aus zugeschaut. »Mr. H.« ist seit 13 Jahren wie selbstverständlich auf all ihren Reisen dabei, er hat auf ihrem Arm inzwischen 59 Länder besucht und die Bekanntschaft von mehr als drei Millionen Menschen gemacht.
Jane Goodall erzählt gerne, wie sie »Mr. H.« von Gary Haun, einem guten Freund, zu ihrem Geburtstag geschenkt bekam. Gary hatte während seiner Dienstzeit bei den Marines sein Augenlicht verloren, aber das hielt ihn nicht davon ab, gegen alle Bedenken seiner Umgebung seinen Traum zu verwirklichen und Zauberer zu werden, um auf diese Weise Kinder glücklich zu machen. Während seiner Vorstellungen, wenn er seine Kunststückchen aufführt und mit sicheren Gesten aus einem Luftballon eine lebende Taube zaubert, merkt keiner seiner kleinen Zuschauer, dass er nicht sehen
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