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Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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Zigarette an, stellte das Radio lauter und lauschte aufmerksam einer Sendung über die Schlacht bei Abu Agela. Er wirkte angespannt und murmelte Worte, die ich kaum mehr mitbekam. Ich befand mich in einem Zustand tödlicher Müdigkeit, einer Sinnes- und Verstandestrübung, einer Müdigkeit, die mich alles vergessen ließ, mit schweren Lidern und brennenden Augen versank ich in nebligen Phantasien. Immer wieder nickte ich ein, spürte die Wohligkeit des verlockenden Schlafs, und schreckte in Panik wieder hoch, wenn der Bärtige wieder zu reden anfing.
    »Im Midrasch steht, dass Abraham zur Zeit der Tempelzerstörung vor den Allmächtigen, gesegnet sei er, kam, weinte, sich den Bart raufte und das Haar auf seinem Kopf ausriss, seine Kleider zerriss und sich Asche aufs Haupt streute und sagte: Wozu bin ich anders als jedes Volk und jede Sprache, dass mir nun diese Schmach und Schande widerfährt?«, trug er mit funkelnden Augen vor, ohne auf die Zigarette in seinem Mund zu achten, deren Asche sich auf seiner Kleidung verstreute. »Und siehe«, fuhr er fort, »Jerusalem, die Heilige Stadt, ist in unseren Händen, die Wüste Sinai, Gaza, die Golanhöhen und Transjordanien, alles gehört jetzt uns.«
    Das Auto geriet an den Straßenrand, und als er es mit einer scharfen Bewegung wieder auf die ramponierte Fahrbahn zurücklenkte,
tauchte vor uns ein großer Lastwagen auf. Wieder riss er das Steuer herum, diesmal nach rechts, und wieder landete er auf dem Straßenrand. Mein Herz klopfte wie verrückt.
    »Wir haben ihnen die Tanks angesteckt, als wären es Lagerfeuer wie bei den Pfadfindern«, sagte jemand im Radio, und in meinem Kopf loderte eine gewaltige gelbe Fackel auf, die von Trabelsis Panzer emporschoss. Ich war tief im Sand eingegraben, in höllischer Hitze, massiver Geruch nach Rauch und verbranntem Fleisch stieg mir in die Nase, und ich bildete mir ein, Schreie durch den Lärm der Explosion zu hören. Vielleicht brauchte Trabelsi Hilfe.
    »Hörst du?«, rüttelte mich der Fahrer und schaltete das Radio aus. »Bei Jesaja steht geschrieben: ›Siehe, zu Spott und zuschanden sollen werden alle, die dich hassen; sie sollen werden wie nichts, und die Leute, die mit dir hadern, sollen umkommen. Wenn du nach ihnen fragst, wirst du sie nicht finden. Die mit dir hadern, sollen werden wie nichts, und die wider dich streiten, sollen ein Ende haben. Denn ich bin der Herr, dein Gott, der deine rechte Hand fasst und zu dir spricht: Fürchte dich nicht, ich helfe dir!‹«
    Seine Stimme erreichte mich dumpf und wie aus der Ferne, wie ein ersterbender Lautsprecher. Als ich nicht reagierte, schaltete er wieder das Radio ein.
    »Doch der Tag wird kommen, an dem ich für dich singe, und Kronen werd ich flechten für dich …«, jubelte die Stimme Schuli Nathans. Mein Nachbar war in guter Stimmung und fiel in den Gesang ein, spornte sich selbst mit nickendem Kopf an: »Jerusalem aus Gold, aus Erz und aus Licht …« Genau dieses Lied hatten sie erst vor ein paar Wochen gespielt, als ich in Jardenas Armen in ihrer Dachwohnung in der deutschen Kolonie einschlief. Im Radio brachten sie die Liederparade vom Gesangsfestival, und als ich aufwachte und sie fragte, wer gewonnen hatte, sagte sie: »Ein herrliches Lied«, und streichelte meinen Nacken. Oh, Jardena.
    »Auf allen vieren werden sie jetzt kriechen. Neunzehn Jahre
lang haben sie uns nicht an der Klagemauer beten lassen, doch der Allmächtige, gesegnet sei er, hat ihnen die Rechnung präsentiert. ›Das ist der Tag des Herrn, lasst uns singen und uns an ihm erfreuen‹«, verfiel er wieder ins Singen. »Warum singst du nicht? Müde, was?«, sagte er dann und hielt am Straßenrand an. »Vielleicht willst du einen Kaffee.« Er schenkte mir aus einer alten Thermosflasche eine schwarze Brühe ein.
    Aus dem Radio drang die belegte Stimme unseres Regierungsoberhauptes Levi Eschkol: »Vielleicht ist dies eine weltbewegende Stunde, aus der eine neue Ordnung und neue Beziehungen in der Region geboren werden müssen, um sicher in unserem Zuhause, auf unserem Boden zu sitzen und mit dem Siedeln und der Sammlung der Diaspora fortzufahren, mit der geistigen, kulturellen und moralischen Arbeit. Wir haben der Welt, dem jüdischen Volk und uns selbst viel versprochen.«
    An der Steigung nach Scha’ar Hagai, an deren Straßenrändern die stummen Überbleibsel der Fahrzeugkolonnen von 1948 lagen, begann das Auto zu bocken, stottern und zu dampfen. »Die Kriege sind zu Ende, jetzt können wir uns

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