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Jasmin - Roman

Titel: Jasmin - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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»Lasst mich erst verstehen, was da vorgeht.« Für ein paar Augenblicke versank ich in Tarab, ein durch und durch guter Zustand. Was ist »Tarab«?, wird man sich fragen. Wie soll man das übersetzen? O Effendi Orientalist, vier Jahre hast du die arabische Sprache und Literatur studiert … vielleicht musikalische Trunkenheit, vibrierende Erregung, vollkommener Genuss, Klangrausch, Freude des Körpers, Erhebung der Seele, ein Vereinigungsakt der Seele, Vergessen von Gott und all seinen Sklaven - all das zusammen ergibt Tarab.
    Für einen Moment vergaß ich den Krieg. Die Königin sang! Wer kam ihr gleich, und wer wollte das Geheimnis ihrer Stimme enträtseln, das Zittern, das das Herz zum Schlingern brachte, die Stiche, die sie der Seele versetzte? Genosse, lass dich nicht davontragen. Sie muss dennoch getötet werden, diese Königin. Besonders jetzt, wenn ihr Freund Nasser uns den Krieg erklärt und sie ihn nicht aufhält.
    »Nu, was ist los?«, fragte der Offizier wieder.
    »Ich glaube, die Funker haben die Verbindungen lahmgelegt, um sich Umm Kulthum anzuhören. Jemand teilt seinen Kameraden im Netz mit, dass die Funkverbindung nach Ende des Konzerts wieder aufgenommen wird.«
    »Ist das dein Ernst? Vielleicht verarschen sie uns, was?« Der Offizier schaute mich an, als hätte ich den Verstand verloren. »Wie lange wird das dauern?«
    »Eine Stunde, zwei Stunden, drei, das kommt darauf an …«
    »Ich versteh überhaupt nichts mehr«, er griff sich an den Kopf und ging weg.
    Danach kündigte der Radiosprecher die Lesung von Koranversen aus der fünften Sure, »Der Tisch«, an, vorgetragen von Scheich Abu al-Ainen Schu’aischa: »Unter allen Menschen sind die Juden und die, welche Allah Götter zu Seite stellen, den Gläubigen des Islam am meisten feind. Der Heilige Krieg ist die Pflicht eines jeden gläubigen Muslims, er ist der einzige Weg, mit ihnen
umzugehen. Es ist ein religiöses Gebot, sie zu töten, und wer das tut, dessen Platz ist im Paradies.«
    Auch die Stimme des Scheichs hatte einen angenehmen, herzerwärmenden Ton, ein berauschendes Tarab. Ich genoss jede einzelne Silbe und ließ mir jedes Wort auf der Zunge zergehen, bis ich plötzlich begriff. Was für ein Narr ich war! Genosse, er ruft die Muslime auf, dich zu töten!

3.
    DIE KATAMONVIERTEL UND DAS APPARTEMENT
    Rauchsäulen stiegen noch in den Wüstenhimmel auf, begleitet von Explosionslärm, als ich dringend zum Zelt des Regimentsadjutanten gerufen wurde. Ich rannte mit bangem Herzen dorthin, meine beiden Brüder dienten bei den Panzergrenadieren, und ich hatte noch nichts von ihnen gehört.
    »Dein Minister hat gebeten, dich sofort zu entlassen. Du trittst morgen früh bei ihm an«, warf der Offizier in meine Richtung und vertiefte sich wieder in die Papiere auf dem Feldtisch. Was war los, warum hatte er mich kommen lassen? Ich blieb angespannt stehen. Erst nach einigen Minuten begriff ich: Das war’s, ich bin frei, entlassen, ich gehe nach Hause, der Krieg ist zu Ende.
    Ich hatte fast nichts zu packen. Die meisten meiner Sachen hatten sich in alle Winde zerstreut. Ich verabschiedete mich rasch von den Kameraden und kehrte zum Zelt des Adjutanten zurück, um den Entlassungsschein abzuholen. Ich bat herauszufinden, wie es meinen Brüdern, den Panzergrenadieren, ging. Lange Zeit bemühte sich die Soldatin am Feldtelefon, bis sie schließlich sagte: »Mosche Amari geht es gut, Jakov ist leicht verwundet.«
    »Wo wurde er verwundet?«
    »Beim Verbindungsoffizier in der Stadt werden sie es dir sagen«, beschied sie mir und wusste nicht einmal zu sagen, in welchem Krankenhaus er lag.
    Ich bestieg den Transport, der Soldaten vom Sinai nach Israel beförderte. In der Phase des Wartens, als wir voll dunkler Ängste im Schatten der Tanks lagerten und auf den Befehl zum Ausrücken warteten, hatte ich mir Eide geschworen und gute Vorsätze gefasst, wenn ich nur am Leben bliebe, und sei es auch mit
einer leichten Verletzung, die mir als Glücksfall erschien. Als ich jetzt jedoch hörte, dass Kabi verwundet war, verzehrte ich mich vor Sorge. Was hatte ihn veranlasst, aus London zurückzukehren?
     
    An der Tramperstation am Re’im-Straßenkreuz hielten alle Autos nacheinander an. Als ich an der Reihe war, wurde mir ein alter Susita mit einem bärtigen, korpulenten Fahrer um die vierzig zuteil.
    »Mein Auto ist eine Schrottkiste«, entschuldigte er sich und nahm mich als Einzigen mit. Er rückte die Kipa auf seinem Kopf zurecht und zündete sich eine

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