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Je mehr Löcher, desto weniger Käse

Je mehr Löcher, desto weniger Käse

Titel: Je mehr Löcher, desto weniger Käse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Dambeck
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sein.
    Nebenbei widerlegte Wynn auch ein Baby-Experiment von Piaget aus den Fünfzigerjahren. Der Schweizer Psychologe hatte dabei Objekte unter einer Decke verschwinden lassen und beobachtet, ob die Kinder danach greifen. Sie taten es nicht. Piaget schloss daraus, dass Babys jünger als zehn Monate Gegenstände in ihrer Umgebung noch nicht als eigenständige Objekte begreifen. Ein unter die Decke geschobener Würfel existiert demnach für sie nicht mehr.
    Karen Wynns Untersuchung zeigt jedoch, dass Säuglinge offenbar wissen, dass Gegenstände noch da sind, auch wenn sie unter einer Decke oder hinter einer Abdeckung versteckt werden. Psychologen bezeichnen dies als Objektpermanenz. Piaget hatte schlicht nicht beachtet, dass Säuglinge einfach noch nicht ausreichend gut Hände und Arme koordinieren können, um nach der Decke zu greifen.
    Dass Säuglinge die simple Addition von 1   +   1 beherrschten, hatte die Forschergemeinde verblüfft. Doch die Rechenkünste von Babys erwiesen sich als noch viel ausgeklügelter. Dies zeigte im Jahr 1995 der Psychologe Tony Simon in einer Studie mit fünf Monate alten Kindern. Er wiederholte Wynns Experimente mit den Puppen, die hinter einer Abdeckung verschwanden, bis diese gelüftet wurde.
    Sein Team änderte aber noch ein kleines Detail: Statt der erwarteten zwei Puppen befanden sich manchmal auch zwei Bälle hinter dem Kasperletheater. Das wunderte die Babys jedoch kaum. Zwei Bälle sind schließlich zwei Dinge. Lag aber statt zwei Bällen nur noch einer hinter der Abdeckung, war das Erstaunen groß.
    Simons Versuche bestätigten nicht nur, dass Babys elementare Arithmetik beherrschen. Sie offenbarten auch die erstaunliche Abstraktionsfähigkeit der Kinder. Zwei Bälle und zwei Puppen haben etwas gemeinsam: Es sind zwei Objekte.
    Dank der modernen Hirnforschung weiß man inzwischen auch, dass Babys beim Aufspüren von Rechenfehlern die gleiche Gehirnregion nutzen wie Erwachsene. Die israelische Psychologin Andrea Berger hatte Wynns Experiment im Jahr 2006 ebenfalls wiederholt – dabei jedoch zusätzlich die Gehirnströme mit einem Elektroenzephalogramm ( EEG ) gemessen. Dabei werden den Kindern Hauben über den Kopf gezogen, die mit vielen kleinen Sensoren bestückt sind.
    Berger registrierte bei den sechs bis neun Monate alten Probanden eine erhöhte Aktivität im Frontallappen. Und zwar in jenen Bereichen, die bei Erwachsenen mit Fehlererkennung, enttäuschten Erwartungen und der Lösung von Konflikten assoziiert werden.
    Ein erstaunliches Ergebnis: Babys können noch nicht einmal sprechen, aber die Strukturen in ihrem Gehirn für elementare Arithmetik sind bereits vorhanden und aktiv.

Die Krux mit der Fünf
    Dass wir Menschen auch im Erwachsenenalter mit kleinen Zahlen kaum Probleme haben, hatte schon 1871 der britische Ökonom William Stanley Jevons beobachtet. Bei seinem berühmten Bohnenexperiment ließ er Probanden kurz in eine Schachtel blicken und bat sie dann, die Zahl der darin liegenden Bohnen zu nennen. Bis zu vier Bohnen klappte das sehr gut, ab fünf gab es Probleme. Das intuitive Erfassen von Mengen, ohne die Elemente abzuzählen, gelingt uns Menschen offenbar nur bis zur Zahl Vier. Ein Phänomen, das Forscher auch bei diversen Tierarten beobachtet haben – mehr dazu im nächsten Kapitel.
    Immerhin haben wir Menschen einen Weg gefunden, unsere Schwäche beim schnellen Abzählen von Mengen ab fünf zu kompensieren. Die Römer und auch die Maya in Mittelamerika erfanden extra ein neues Zeichen für die sperrige Fünf. Die Zahlen 1, 2, 3, 4 notierte man im alten Rom als I, II , III und IIII . Bei den Maya schrieb man •, ••, ••• und ••••.
    Es war für die Römer kein Problem, auf Anhieb eine II von der III zu unterscheiden. Aber eine IIIII von einer IIII ? Statt der schwer erfassbaren fünf Striche nutzten sie mit V ein neues Zeichen, die Maya schrieben:

    Die Schwierigkeiten der Menschen im Umgang mit Mengen größer als vier haben also offenbar zur Entstehung der antiken Zahlensysteme beigetragen. Den Trick der Römer und Maya nutzen wir sogar noch heute, wenn wir Strichlisten führen: Wir schreiben vier senkrechte Striche nebeneinander, und der fünfte wird dann nicht daneben-, sondern quer überdie Vier gesetzt. So erkennen wir auf einen Blick, dass es sich um fünf handelt.
    Wie aber gehen wir mit größeren Mengen und Zahlen um? Kleine Kinder sagen eins, zwei, drei, viele. Erwachsene können es im Prinzip auch nicht viel besser, sie

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