Jeans und große Klappe
konnten.
Luise schlief nicht bei uns im Haus. Sie wohnte entweder bei ihrer Mutter oder bei ihrer Tante, hauptsächlich aber bei der Tante, die nicht nur eine größere Wohnung, sondern auch mehr Verständnis für ihr Privatleben hatte. Luise ging nämlich schon seit einem Jahr mit Alfons, einem dürren Mannsbild, das sich bequem hinter ihr hätte verstecken können, wenn er sie nicht um anderthalb Köpfe überragt hätte. Alfons war 23, von Beruf Steinmetz, und er trug sein Liesle auf Händen. Natürlich bildlich gesprochen, in natura hätte er das trotz seiner bratpfannengroßen Pranken nicht geschafft.
So hätte es mich eigentlich nicht überraschen dürfen, als Luise mir nach vier Monaten ihres schwergewichtigen Wirkens bei uns eröffnete, daß sie nun wohl bald kündigen müsse:
»Des Mutterschutzg'setz will i jo net in Ospruch nehme, denn i heier (heirate) doch bal.«
Ich hatte nur etwas von Mutterschutzgesetz verstanden. »Sie wollen doch nicht sagen, daß Sie ein Kind kriegen?«
»Awer freili. I bin sogar scho im vierte Monat!«
Obwohl ich über hinlängliche Erfahrungen auf diesem Gebiet verfügte, waren mir Luises nun zweifellos noch schwellendere Körperformen nicht aufgefallen, aber ahnungslos, wie ich war, hätte ich auch kaum einen Unterschied zwischen den Folgen von Sahnetorte und Baby feststellen können.
»Weshalb haben Sie denn nicht schon früher etwas gesagt? Sie sind doch noch viel zu jung, und heutzutage braucht ein Mädchen in Ihrer Lage kein Kind mehr zu bekommen. Haben Sie das nicht gewußt?«
»Doch, awer i will jo. Un de Alfons freit sich a. Der isch doch so kinnerlieb. Wir hawe a scho e Wohnung. Wenn se fertig isch, heiere mer.«
Die Wohnung wurde sechs Wochen vor dem errechneten Geburtstermin bezugsfertig, was zu Luises großem Bedauern eine Hochzeit in Weiß unmöglich machte. Es gab kein passendes Brautkleid zu kaufen. Die Trauung sollte aber auch nicht vorverlegt werden, »weil mir unser Hochzeitsnacht natürlich in de eichne Wohnung verlebe wolle«.
Zur Hochzeit schenkten wir drei große Badelaken. Rolf sah mir beim Einpacken zu und sagte mit einem schiefen Blick auf den Kassenzettel: »Warum kann ein Geschenk eigentlich nie so teuer aussehen, wie es war?«
Als Alfons mir ein paar Wochen später die Geburt seines Sohnes Alfons mitteilte, bedankte er sich noch einmal artig für das Präsent und versprach mir bei Bedarf einen kostenlosen Grabstein. Selten habe ich mich so wenig über ein in Aussicht gestelltes Geschenk gefreut.
Heranwachsende sind Leute unter zwanzig, die sich wie kleine Kinder benehmen, wenn man sie nicht wie Erwachsene behandelt. Außerdem ist die Zeit des Heranwachsens eine Zeit rascher Veränderungen. Zwischen zwölf und achtzehn altern die Eltern um mehr als zwanzig Jahre.
Es gibt bei Kindern untrügliche Zeichen des Erwachsenwerdens, zum Beispiel die Tatsache, daß Töchter sich die Lippen anmalen und Söhne anfangen, sie sich abzuwischen. Wenn Mädchen so alt sind, daß sie allein ausgehen dürfen, gehen sie gar nicht mehr allein aus, und der Augenblick, sich Sorgen um seinen Sohn zu machen, ist gekommen, wenn er das Haus verläßt, ohne die Tür zuzuschlagen.
Diese und ähnliche Anzeichen verrieten uns, daß Sven und Sascha allmählich flügge wurden. Sie waren jetzt alt genug, daß wir sie langsam wieder ertragen konnten, aber offenbar konnten sie uns nicht mehr ertragen, jedenfalls bekamen wir sie an manchen Tagen nur noch beim Frühstück zu Gesicht.
»Ich weiß nicht warum, aber plötzlich komme ich mir entsetzlich alt vor«, beklagte ich mich bei Rolf, als Sascha wieder einmal meinen Seidenschal um seinen Hals geschlungen, Rolfs Rasierwasser großzügig über Gesicht und Hände verteilt und dann unter Mitnahme unseres letzten Zigarettenpäckchens das Haus verlassen hatte.
»Mach' dir nichts draus«, tröstete mich mein Gatte, fischte sich die längste Kippe aus dem Aschenbecher und versuchte, sie anzuzünden. »Alter spielt doch überhaupt keine Rolle – es sei denn, man ist ein Käse.«
Trotzdem fördert es nicht gerade das Selbstbewußtsein, wenn einen der Nachwuchs um Haupteslänge überragt. Mein Rat wurde nur noch gebraucht, wenn es um so wichtige Dinge ging wie die Frage, was man Susi (oder Micki oder Babsi) zum Geburtstag schenken könnte. So erkundigte sich Sven einmal ratlos: »Wenn du übermorgen siebzehn würdest, Määm, was würdest du dir dann wünschen?«
»Nichts weiter!« sagte ich voll Überzeugung, erntete aber nur
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