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Jeans und große Klappe

Jeans und große Klappe

Titel: Jeans und große Klappe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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setzen, wenn Rolf daneben saß. Nun hat in der freien Welt jeder das Recht, seine Meinung zu sagen – und jeder andere das Recht, nicht hinzuhören. Die beiden Kontrahenten strapazierten ihre Rechte nach besten Kräften, und das Ergebnis war jedesmal ein zünftiger Familienkrach, weil ich mich meistens auf Svens Seite schlug. Nur zu gut erinnerte ich mich noch an die Anfänge meiner eigenen Fahrpraxis, als Rolf sich ständig bemüßigt gefühlt hatte, seine bereits zwölf Jahre früher erworbenen Kenntnisse des Autofahrens an mich weiterzugeben. (Zwei Köpfe sind immer besser als einer – außer hinter demselben Lenkrad.)
    Dafür hatte Rolf aber vom Innenleben eines Wagens herzlich wenig Ahnung und schon seit jeher Svens Meinung respektiert, wenn der wieder einmal den hustenden und spuckenden Motor inspizierte.
    »Da sind zwei Zündkerzen verrußt!« hieß es dann. Oder: »Vergaser ist abgesoffen!«, worauf der technisch versierte Knabe unter den anerkennenden Blicken seines Vaters die Sache schnell in Ordnung brachte. So war Rolf auch nicht weiter beunruhigt, als das Vehikel wieder einmal kurz vor den Ausläufern Bad Randersaus stehenblieb. Sven klappte die Motorhaube auf und vertiefte sich in das Kabelgewirr. Nach zehn Minuten hatte er den Fehler noch immer nicht gefunden. Sascha wurde ungeduldig.
    »Was machst du denn so lange? Etwa Mund-zu-Mund-Beatmung?«
    »Die hilft auch nichts mehr. Ich fürchte, diesmal ist die ganze Karre im Eimer!« Eine Diagnose, die dann auch später der Werkstattleiter bestätigte. »Des Getriebe isch hi. Do muß jemand wie en Elefant gschaltet hawe. Genaues kann ich noch net sage, awer es wird e ziemlich teure Sach were!«
    Für den Rest des Tages bestritt Rolf die Unterhaltung allein. Er redete ausschließlich mit seinem Erstgeborenen und dürfte dabei dessen Kenntnisse der heimischen Großtierarten ungemein erweitert haben.
    Zusammen mit Svens Führerschein hielt Luise Einzug in unserem Haus. Beides stand nicht in ursächlichem Zusammenhang, es geschah rein zufällig.
    Luise war siebzehn und Friseurlehrling a. D. Ihre Ausbildung hatte sie nach dem ersten Jahr abgebrochen, weil »de Chefin mich immer rumkommandiert un selwer gar nix gmacht hat, un wie i dann a noch die Hoor aus de alte Lockewickler puhle gmußt hab, hat mir's gschtunke.« Dann hatte sie es als Verkäuferin in einer Metzgerei versucht, wozu sie aufgrund ihrer Figur und ihres offenbar unstillbaren Appetits sicher bestens geeignet gewesen war, aber »do war de Meischder immer hinner mir her!« Nun sollte es zur Abwechslung mal ein bißchen Haushalt sein.
    Luise war mir von Frau Keks vermittelt worden. Sie kannte sie auch nicht näher und besuchte lediglich mit Luises Mutter zusammen die Gymnastikstunde. »Frau Ambach ist eine ganz passable Frau, und wenn man dem Mendelschen Gesetz trauen kann, müßte ihre Tochter auch etwas davon abgekriegt haben. Versuchen Sie es doch mal mit ihr! Rausschmeißen können Sie sie immer noch!«
    Im allgemeinen pflegt man Hilfskräfte nicht mit einem Seitenblick auf baldige Kündigung einzustellen, und so war ich bereit, zunächst einmal Luises gute Eigenschaften in den Vordergrund zu stellen und die weniger guten zu ignorieren. Zu den weniger guten gehörte ihr Phlegma und die damit verbundene Unlust, sich mehr als unumgänglich notwendig zu bewegen.
    Die Trägheit eines Körpers ist proportional seiner Masse. Also galt es zuerst, die Masse zu verringern. Trotz Knäckebrot und Rohkost blieb Luises Gewicht konstant, was einzig und allein darauf zurückzuführen war, daß sie sich die ihr vorenthaltenen Kalorien woanders holte, vorzugsweise beim Bäcker und vorzugsweise In Form von Sahnetorte und Mandelschnitten. Ich fand mich damit ab, daß Luise auch weiterhin wie ein SeeElefant schnaubend die Treppe ersteigen und jegliche Gartenarbeit ablehnen würde, weil sie das viele Bücken nicht vertrage. Andererseits konnte sie hervorragend mit Nadel und Faden umgehen, und für Strümpfestopfen habe ich noch nie viel übriggehabt. Getreu schwäbischer Sitte kamen auch jeden Morgen die Betten auf den Balkon bzw. in die Fenster und blieben dort bis zum Mittag liegen. Bei plötzlich auftretenden Regenschauern hatte nur der eine Chance, in trocknen Bezügen zu schlafen, in dessen Zimmer sich Luise gerade aufhielt. Da ihre Geschwindigkeit meist in umgekehrtem Verhältnis zu der Intensität des Platzregens stand, waren die anderen Betten durchgeweicht, bevor sie ins Trockne gezogen werden

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