Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jeans und große Klappe

Jeans und große Klappe

Titel: Jeans und große Klappe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
Vom Netzwerk:
nicht. Er bewunderte im Gegenteil unsere nächtliche Fleißarbeit, als er am nächsten Morgen mit einem Schwung nicht ganz trockener Reclamheftchen die Treppe herunterkam. »Die haben in der Badewanne gelegen.«
    Das Sortieren und Einräumen dauerte Stunden, vor allem deshalb, weil wir die Bücher im ganzen Haus zusammensuchen mußten. Die letzten fanden wir im Schuhschrank.
    Dann kamen die Zwillinge und wollten ›Wicki‹ sehen. »Wo is'n der Fernseher überhaupt?«
    Den hatten wir total vergessen. Er stand noch im Keller und hätte doch eigentlich mitten im Regal stehen müssen.
    »Nein!!!« schrie Sascha entsetzt. »Nicht noch einmal!«
    Der Fernsehapparat bekam einen anderen Platz, und als wir im vergangenen Jahr Rolfs Arbeitszimmer und den Flur renovieren wollten, griffen wir doch lieber auf Herrn Gehring und seine Mitarbeiter zurück. Die zertrümmerte Milchglasscheibe hat ja dann auch die Versicherung bezahlt.

15
    Sven war achtzehn geworden, somit also volljährig und nach Ansicht des Gesetzgebers verantwortlich für alles, was er tat oder auch nicht tat. Er durfte wählen, er durfte die Entschuldigungen für versäumten Schulunterricht jetzt selber schreiben, er durfte Kaufverträge abschließen, und er durfte den Führerschein machen. Einen besonderen Beweis seiner geistigen Reife legte er ab, als er sich einen Tag nach seinem Geburtstag ein Luftgewehr erstand und die berechtigten Zweifel des Verkäufers durch Vorlage seines Personalausweises ausräumte. Was er mit dem Gewehr eigentlich wollte, war ihm selbst nicht ganz klar, vermutlich wollte er damit lediglich seine nunmehr amtlich sanktionierte Männlichkeit beweisen. Dafür rauchte er ja auch nicht.
    Den Führerschein bekam er von seinem Vater geschenkt, was der aber bald bitter bereute. Weniger deshalb, weil Sven mit einer ungewohnten Intensität jetzt Vorfahrtsregeln statt Vokabeln paukte, sondern mehr wegen der nicht vorhersehbaren Tatsache, daß er Rolfs heilige Kuh zu Übungszwecken mißbrauchte. Immerhin bekam er nach zehn Wochen die begehrte ›Pappe‹ ausgehändigt, und damit begann ein unentwegter Kampf ums Auto.
    »Määm, du hast doch gesagt, die Briefmarken sind alle, ich hole schnell welche. Wo liegt der Autoschlüssel?« Oder: »Papi hat keine Zigaretten mehr, ich soll ihm welche ziehen. Rück mal eben den Schlüssel raus!« Dann setzte er 80 Pferdestärken in Bewegung, um seine 65 Kilo 250 Meter weit zu transportieren, damit er eine Packung mit 30 Gramm Zigaretten holen konnte.
    Einmal beobachtete ich verblüfft, wie Sven freiwillig und mit ungewohnter Intensität den Rasen mähte. Rolf zog verstohlen die Autoschlüssel aus der Tasche und erklärte mir grinsend: »Ich, habe ihm gesagt, ich hätte sie im Gras verloren.«
    Am schlimmsten war es, als Rolf ihm einmal gestattete, zu nächtlicher Stunde nach Heilbronn zu fahren. Svens damalige Freundin hatte einen Ballabend in ihrer Tanzstunde, und obwohl er »dieses Herumgehopse ausgesprochen idiotisch« fand, hatte er seinerzeit einsehen müssen, daß Mädchen so etwas wohl brauchen. Zwar hatte er seine Teilnahme an »diesem Zirkus« abgelehnt, was ihn aber nicht hinderte, bei Annette privaten Nachhilfeunterricht zu nehmen.
    An jenem Abend also hatte Sven beschlossen, mögliche Rivalen dadurch aus dem Feld zu schlagen, daß er seine Herzallerliebste mit dem Wagen abholte. Die meisten seiner vermeintlichen Konkurrenten waren noch nicht achtzehn und folglich auch nicht berechtigt, solch ein Prestigesymbol zu benutzen. Gegen elf Uhr war er weggefahren. Ab zwölf sah Rolf alle paar Minuten auf die Uhr, gegen halb eins kämpfte er mit der Versuchung, die Polizei zu verständigen, und um eins sank er gebrochen im Sessel zusammen.
    »Nun stell dich doch nicht so an! Der Bengel ist achtzehn und alt genug, um auch mal bis nach Mitternacht wegbleiben zu können!«
    »Wegen Sven mache ich mir auch keine Sorgen«, entgegnete der Gemütsathlet, »ich fürchte nur, er hat den Wagen zu Schrott gefahren.«
    Es ist seltsam, aber mathematisch unanfechtbar: Wenn ein Achtzehnjähriger sich den väterlichen Wagen borgt, kann er an einem Abend fünf Jahre vom Leben des Wagens abziehen und sie dem Alter seines Vaters hinzufügen.
    Sven kam auch prompt mit einer Delle in der Stoßstange zurück, an der er natürlich völlig schuldlos war. »Irgend so ein Heini, der seinen Führerschein wahrscheinlich im Lotto gewonnen hat, ist mir da reingebrettert! «
    Während der nächsten Wochen durfte Sven sich nur ans Steuer

Weitere Kostenlose Bücher