Jeans und große Klappe
Bewegungsübungen. Nach zehn Minuten kann er die Beine schon anziehen, nach zwanzig Minuten Kniebeugen machen, und dann verkündet er aufatmend: »Jetzt sitzt sie!«
Die neue Hose changiert in allen Blautönen, sieht im Bereich der Kniekehlen aus wie eine Ziehharmonika und wird während der nächsten vier Wochen lediglich zum Schlafen abgelegt.
Ein männlicher Teenager schläft in Unterhosen und oben ohne, ein weiblicher in phantasievollen Kombinationen, die vom ausrangierten T-Shirt bis zum mütterlichen Unterrock variieren können. Entfernte Tanten, die einen weiblichen Teenager mit dem Backfisch früherer Generationen verwechseln und ihm als Mitbringsel ein rüschenbesetztes, knöchellanges Nachthemd schenken, brechen in Entsetzensschreie aus, wenn der Teenager am nächsten Morgen damit zur Schule marschiert. Oma-Look ist gerade ›in‹.
Ein männlicher Teenager trägt im Winter kurzärmelige T-Shirts und im Sommer langärmelige Hemden, die nur mit den beiden untersten Knöpfen geschlossen werden und Freiheit bis zum Nabel ermöglichen. Weibliche Teenager ziehen alles an, was ihnen in die Hände fällt. Sie plündern den elterlichen Kleiderschrank genauso schamlos wie die Schränke älterer Brüder, kombinieren Sporthemd mit Chiffonschal und Bauernrock mit Trainingsjacke, scheren sich weder um Konfektionsgrößen noch um Paßformen und finden die Farbkombination von Rosa, Orange und Dunkellila einfach Spitze. Gestreßten Eltern sei deshalb das zeitweilige Tragen einer Sonnenbrille empfohlen.
Eigenartigerweise legen Teenager auf die Fußbekleidung wenig Wert. Im Sommer tragen sie Cloggs oder Badelatschen, im Winter Stiefel. Meistens mit schiefen Absätzen.
Wegen der Haartrachten von Teenagern sind bekanntlich schon Ehen geschieden worden, Morde und Selbstmorde haben stattgefunden, von den zahllosen Auseinandersetzungen im Familienkreis ganz zu schweigen. Friseure meldeten Konkurs an, und die Apotheker orderten Medikamente für parasitäre Hauterkrankungen.
Von anderen Eltern frühzeitig gewarnt und im Umgang mit Teenagern schon einigermaßen geübt, sträubte ich mich vorsichtshalber erst gar nicht gegen die langen Mähnen, mit denen Sven und Sascha auch bald herumliefen. Ich machte lediglich zur Bedingung, daß sie sich alle zwei Tage die Haare waschen sollten (und hoffte im stillen, die langwierige Prozedur würde ihnen bald zum Halse heraushängen). Fehlschluß! Die Knaben verbrauchten nicht nur ungeahnte Mengen von Shampoo, sie schlossen sich vielmehr stundenlang im Bad ein, hantierten mit Bürsten, Lockenwicklern (!) und Fön, verlangten den Ankauf von Spray und Haarfestiger und wollten von mir wissen, was man denn wohl gegen gespaltene Haarspitzen tun könnte.
Zu erwähnen wäre auch noch, daß Teenager einen unstillbaren Bedarf an Schmuck haben, wobei hauptsächlich solcher bevorzugt wird, mit dem unsere Ahnen noch bei den Eingeborenen Südafrikas Ebenholz und Elfenbein eingetauscht haben. Glasperlen, Holzkugeln, bunte Schnürsenkel mit Glitzersteinen … Teenager hängen sich alles um und an.
Einmal fand Sascha auf einer Baustelle eine Kette, mit der normalerweise Badewannenstöpsel befestigt werden. Er knotete das Ding zusammen, befestigte daran einen Flaschenöffner und hängte es sich um den Hals. Am nächsten Tag ergänzte er sein Schmuckstück mit zwei Schraubenmuttern und einer großen Sicherheitsnadel, später folgten noch ein! Kofferschlüssel, ein einzelner Ohrclip aus Perlmutt und eine Blechtasse von Katjas Puppenservice. Bei dem Versuch, diesen Klempnerladen durch zwei versilberte Trachtenknöpfe zu vervollständigen, riß die Kette endlich kaputt.
Es ist nun keineswegs einfach, zu Hause mit dem Anblick dieser so merkwürdig gewandeten Teenager konfrontiert zu werden, aber man gewöhnt sich daran. Etwas ganz anderes ist es, mit ihnen in der Öffentlichkeit zu erscheinen, und ich habe derartige Auftritte auch nach Möglichkeit vermieden. Leider lassen sie sich nicht völlig umgehen.
Als wieder einmal der Ankauf von Schuhen und Parka fällig war (kein Teenager trägt einen Wintermantel) und ich Sven pflichtgemäß eine Woche vorher von der notwendigen Fahrt nach Heilbronn informiert hatte, erschien er zwar pünktlich, aber in einem Aufzug, als habe er seine Garderobe aus der letzten Altkleidersammlung zusammengeklaubt.
»Zieh dich bitte um, so gehe ich mit dir keinen Schritt vor die Tür!«
»Dann eben nicht! Ich habe mich sowieso mit Jochen verabredet, an diese blöde Einkaufstour
Weitere Kostenlose Bücher