Jeans und große Klappe
ängstlich, ob es hier wohl Wölfe gebe. »Blödsinn«, sagte Sven, »aber vielleicht geistert da draußen ein Waschbär herum. Wo ist die Taschenlampe?«
Die hatten wir natürlich auch vergessen. Sascha bewaffnete sich mit einem mittelgroßen Kochlöffel, bereit, seinem Bruder im Kampf gegen die Gefahren der Wildnis beizustehen. Vorsichtig öffnete er die Tür. Auf der Veranda stand das nicht abgeschaltete Kofferradio, das in der nächtlichen Sendepause nur kurze, vermutlich durch atmosphärische Störungen verursachte Zisch- und Quieklaute von sich gab.
Aber es gab auch wirkliche Gefahren. Zum Beispiel Kühe. Der Besitzer des Kiosks, der offensichtlich sein bester Kunde und nie ganz nüchtern war, hatte mir gesagt, daß es in unmittelbarer Nähe einen Bauernhof gebe, wo ich frische Milch holen könne. Ich brauche nur den Weg entlangzulaufen und dann über die Wiese zu gehen. Auf der Wiese standen Kühe. Nun gehören Rindviecher nicht gerade zu der Tiergattung, mit der ich häufigeren Umgang pflege, und ich hatte keine Ahnung, wie man sie behandelt. Immerhin besaßen sie Hörner. Außerdem hatte ich irgendwo gelesen, daß sie auch ausschlagen können. Vorsichtig näherte ich mich der Wiese, vorsichtig stieg ich über den Zaun, und noch vorsichtiger bewegte ich mich schrittweise vorwärts. Die Kühe hoben die Köpfe, betrachteten mich mit ihrem bedächtigen Madonnenblick und fanden dann, die Bekanntschaft mit mir sei entbehrlich. Nur eine kam auf mich zu, und als ich meine Schritte beschleunigte, legte sie auch einen Zwischenspurt ein. Das Rennen endete unentschieden, denn bevor ich mit hängender Zunge über den Zaun hechtete, drehte die Kuh ab, hob ihren Schwanz, und mit dem, was sie fallen ließ, schien sie mir klarmachen zu wollen, wieviel sie von mir hielt. Später holte Sven die Milchkanne von der Wiese und künftig auch die Milch vom Bauern.
14
Urlaub ist bekanntlich die Zeit, in der man feststellt, wohin man im nächsten Jahr nicht wieder fahren wird. Zu dieser Feststellung brauchte ich genau drei Tage. Nach fünf Tagen wäre mir jedes andere Ferienziel recht gewesen, einschließlich Himalaja und Antarktis, vorausgesetzt, dort gab es ein Hotel mit Bedienung. Ich wollte nicht mehr auf anderthalb Kochplatten erntefrisches Gemüse kochen, ich wollte nicht mehr die notdürftig mit der Nagelbürste geschrubbten T-Shirts im Seewind trocknen lassen, ich wollte nicht mehr mit einem Strohbesen Tannennadeln und Seesand unter den Möbeln hervorkratzen – ich wollte endlich Ferien haben!
Nach neun Tagen platzte mir der Kragen! Rolf, der hinter dem Steuer seines Wagens niemals etwas von seinem Hexenschuß merkte, war mit den Kindern in den nächstgrößeren Ort gefahren, um sich mal wieder die Beine zu vertreten und etwas Schönes zum Kochen zu kaufen. Zum Mittagessen würden sie dann alle wieder zurück sein. Sollten sie doch, nur würden sie kein Essen und erst recht keine Köchin mehr vorfinden!
Das Kofferpacken ging schnell. Alles, was sorgfältig zusammengefaltet war, gehörte mir. Der Fahrer des Bierwagens, der gerade wieder den gelichteten Bestand im Kiosk aufgefüllt hatte, war bereit, mich bis zur nächsten Bahnstation mitzunehmen. Der Zug fuhr erst in zwei Stunden. Ich setzte mich in ein kleines Café, wo man endlich einmal mich bediente, frühstückte ausgiebig und malte mir Rolfs Gesicht aus, wenn er meinen Zettel finden würde.
Abends war ich wieder zu Hause und heulte mich bei Frau Keks erst einmal gründlich aus. »Warum benimmt sich Rolf bloß immer wie ein Pascha? Wenn er nur eine Haushälterin gebraucht hat, hätte er ja irgendein Gänschen heiraten können!«
»Verstand ist das, worauf Männer bei Frauen erst dann achten, wenn sie auf alles andere geachtet haben«, sagte Frau Keks und goß mir den dritten Cognac ein.
»Früher wollte er mir die Sterne vom Himmel holen«, schluchzte ich, »und jetzt holt er sich nicht mal ein Glas aus dem Schrank!«
»Ihr Mann kommt allmählich in die mittleren Jahre, ist also noch genauso jung wie immer, aber es strengt mehr an.«
Als ob das eine Entschuldigung wäre! Bestenfalls eine Erklärung!
Schließlich hatte ich meine Jugendjahre auch schon hinter mir. Weshalb können einem die Schwierigkeiten des Lebens nicht begegnen, solange man noch siebzehn ist und alles weiß?
»Mir scheint, Sie haben noch immer nicht gelernt, wie man mit Männern umgeht«, sagte Frau Keks, »dabei ist das doch ganz einfach. Man behandelt sie wie jedes Schoßtier. Drei
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