Jeans und große Klappe
das Zeug eigentlich verdünnen?«
»Wieso verdünnen?« Sven sah verdutzt seinen Bruder an.
»Davon hat der Typ aber nichts gesagt. Steht denn das nicht drauf?« Sascha studierte das Etikett und informierte uns über die Zusammensetzung der Farbe, Haltbarkeit und Verwendungsmöglichkeiten. »Von Verdünnen steht da aber nix!«
»Dann probieren wir das selber aus«, entschied Rolf und verbrachte die nächste Stunde damit, Einmachgläser mit Farbe und Wasser zu füllen. Als die milchähnliche Brühe endlich die nach seiner Ansicht richtige Konsistenz hatte, wußte er nicht mehr, in welchem Verhältnis er nun Farbe und Wasser verrührt hatte, und fing von vorne an. Jetzt führte Sascha Buch.
»Ob es nicht besser aussehen würde, wenn wir die Wände nicht wieder ganz weiß streichen, sondern cremefarben?«
»Auf jeden Fall wäre das praktischer«, meinte Sascha, »man sieht dann den Dreck nicht so schnell!«
Rolf begab sich also selbst ins Farbgeschäft und kam auch schon nach einer Stunde zurück mit einem weiteren Eimer Farbe sowie einem Stück Tapete in der gewünschten Farbnuance. Nun ging die Panscherei von vorne los. Offenbar ist es doch ein Unterschied, ob man Farben im Aquarellkasten mischt oder im Scheuereimer, jedenfalls kam unser Experte ganz schön ins Schwitzen. Etwas zweifelnd besah ich mir das Endprodukt.
»Sieht wie Karamelpudding aus, findest du nicht?«
»Na ja, vielleicht muß noch ein bißchen Weiß rein, aber so etwas kann man nur bei Tageslicht richtig sehen. Das mache ich morgen früh. Sonst haben wir aber alles zusammen, nicht wahr?« Rolf überprüfte poch einmal die auf dem Eßzimmertisch ausgebreiteten Utensilien, die notfalls auch zur Renovierung einer mittelgroßen Fabrikhalle ausgereicht hätten. »Oder fehlt auch was?«
»Bier!« sagte Sven.
Der für sieben Uhr vorgesehene Arbeitsanfang verschob sich um eine Stunde und begann mit einem ausgedehnten Frühstück. Die Ärzte behaupten, wer langsam ißt, ißt weniger. Das stimmt – vor allem für den, der zu einer großen Familie gehört: Deshalb sieht Katja auch immer so unterernährt aus. Andererseits hält uns nur ein Drittel dessen, was wir zu uns nehmen, am Leben. Mit den anderen zwei Dritteln halten sich die Ärzte am Leben.
Sven erteilte Stefanie die letzten organisatorischen Anweisungen: »Du suchst jetzt alles zusammen, was sich zum Transport der Bücher eignet, also Waschkörbe, Reisetaschen und so weiter. Ihr Mädchen packt die Bücher ein, Sascha und ich bringen sie in den Garten. Dann holen …«
»Stopp! Kommt überhaupt nicht in Frage!« Zu gut hatte ich noch das jeweilige Chaos in Erinnerung, wenn nach einem Umzug die Bücherkisten ausgepackt waren, Ihr Inhalt im ganzen Zimmer verteilt lag und ich stundenlang damit beschäftigt war, die ›Deutschen Heldensagen‹ von den Kochbüchern zu trennen und zu verhindern, daß hilfreiche Geister den Reiseführer neben Schillers gesammelte Werke stellten, wo wir ihn voraussichtlich nie wieder gefunden hätten.
»Das Regal räume ich aus, und ihr werdet jeden Bücherstapel extra legen. Der Garten ist ja groß genug.«
Dann drückte ich den Zwillingen Kleiderbürsten in die Hände und zeigte ihnen, wie man die Bücher abstaubt. Sie machten sich begeistert an die Arbeit.
»Draußen, ihr Ferkel!« Rolf brachte eine Blumenvase auf die Terrasse.
»Ist die nicht zu schwer für dich«, feixte Sascha, jonglierte ein Servierbrett mit Kakteen durch die Tür, stolperte über die zusammengerollte Teppichbrücke und landete samt seinen Kaktustöpfen auf den Terrassenfliesen.
(Mit Rücksicht auf eventuelle jugendliche Leser gebe ich Saschas Monolog nicht wörtlich wieder, sondern beschränke mich auf den variablen Begriff: »Er schimpfte laut«.)
Nach einer halben Stunde hatte ich die meisten Stacheln aus seinen Armen entfernt. Er war wieder einsatzbereit. Dumpfe Hammerschläge aus dem Wohnzimmer bewiesen uns, daß man bereits mit der Demontage des Regals begonnen hatte. Dann krachte es auch schon. Na ja, auf ein paar Schrammen mehr kam es nun auch nicht mehr an.
Nicki erstattete sofort Bericht: »Dem Papi ist eben das ganze Mittelteil zusammengefallen. Ich soll dir auch nicht sagen, daß der schöne rote Krug kaputtgegangen ist, weil er gerade die Scherben in Zeitungspapier wickelt, damit du sie nicht findest.«
Frau Keks und Frau Billinger hatte ich schon am vergangenen Abend über den Grund unserer ungewohnten Aktivität informiert, um etwaigen Vermutungen, wie
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