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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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beobachtet worden, beide Male von Frauen, die dann neugierig die Karten aufgenommen hatten, aber nicht schnell genug Alarm riefen, um den Täter noch im Hause zu fassen.
    Ja, Kommissar Escherich besaß jetzt bereits zwei Personalbeschreibungen des Kartenablegers. Es war nur zu bedauern, daß diese Beschreibungen fast in allen Punkten voneinander abwichen. Nur in einem Punkt waren sich beide Beobachterinnen einig, daß das Gesicht des Täters ganz ungewöhnlich ausgesehen habe, gar nicht wie bei andern Menschen. Aber als Escherich dieses ungewöhnliche Gesicht näher geschildert wissen wollte, stellte sich heraus, daß die beiden Frauen entweder nicht beobachten konnten oder ihre Beobachtungen nicht in Worte zu kleiden wußten. Sie konnten beide nichts weiter sagen, als daß der Täter wie ein richtiger Verbrecher ausgesehen ha-be. Befragt, wie ein richtiger Verbrecher ihrer Ansicht nach aussähe, zuckten sie die Achseln und meinten, das müßten doch die Herren am besten wissen.
    Quangel hatte lange geschwankt, ob er diese Begegnung mit Trudel der Anna erzählen sollte oder nicht. Er entschloß sich dann doch dazu: er wollte nicht das kleinste Geheimnis vor ihr haben.
    Sie hatte auch ein Recht darauf, die Wahrheit zu erfahren, obwohl die Gefahr, daß durch Trudel etwas verraten wurde, ganz gering war; auch von einer ganz geringen Gefahr mußte Anna wissen. Er erzählte es ihr also, genau wie es geschehen war, ohne seinen Leichtsinn zu beschönigen.
    Es war bezeichnend für Anna, wie sie reagierte. Die Trudel und ihre Verheiratung und das erwartete Kind interessierten sie gar nicht, aber sie flüsterte, sehr erschrocken: «Aber denke doch, Otto, wenn da ein anderer gestanden hätte, einer von der SA!»
    Er lächelte verächtlich: «Es hat aber kein anderer da gestanden! Und von jetzt an bin ich wieder vorsichtig!»
    Aber diese Versicherung konnte sie nicht beruhigen.
    «Nein, nein», sagte sie heftig. «Von nun an werde ich allein die Karten austragen. Auf eine alte Frau achtet niemand. Du fällst allen Leuten gleich auf, Otto!»
    «Ich bin in zwei Jahren keinem aufgefallen, Mutter. Das kommt gar nicht in Frage, daß du das gefährlichste Geschäft allein besorgst! Das wäre so was, wenn ich mich hinter deiner Schürze versteckte!» «Ja», erwiderte sie ärgerlich. «Nun komm mir auch noch mit solchen dummen Männerredensarten! Was für ein Unsinn: dich hinter meiner Schürze verstecken. Daß du Mut hast, das weiß ich auch so; aber daß du unvorsichtig bist, das habe ich nun erfahren, und danach richte ich mich. Da kannst du reden, was du willst!»
    «Anna», sagte er und faßte ihre Hand, «du darfst mir nun auch nicht, wie es andere Frauen tun, stets denselben Fehler vorwerfen! Ich habe dir gesagt, ich werde vorsichtiger sein, und das mußt du mir glauben. Ich hab's ja zwei Jahre lang nicht schlecht gemacht - warum soll es da in Zukunft schlecht gehn?»
    «Ich sehe nicht ein», sagte sie hartnäckig, «warum ich nicht die Karten verteilen soll. Ich hab's doch bisher dann und wann tun dürfen.»
    «Das sollst du auch weiter. Wenn's zu viele sind, oder wenn mich das Reißen plagt.»
    «Aber ich habe mehr Zeit als du. Und ich falle wirklich nicht so auf. Und ich habe jüngere Beine. Und ich will hier nicht vor Angst umkommen, alle Tage, wenn ich dich unterwegs weiß.»
    «Und was denkst du über mich? Meinst du, ich sitze hier zufrieden im Haus, wenn ich weiß, die Anna läuft draußen herum? Verstehst du nicht, daß ich mich schämen müßte, wenn du die meiste Gefahr trügest? Nein, Anna, das kannst du nicht von mir verlangen!»
    «So laß uns gemeinsam gehen. Vier Augen sehen mehr als zwei, Otto.»
    «Zu zweien würden wir mehr auffallen, einer allein schiebt sich leicht unter die andern. Und ich glaube auch nicht, daß in so 'ner Sache vier Augen mehr sehn als zwei.
    Da verläßt sich schließlich das eine immer auf das andere.
    Und überhaupt, Anna, sei nicht bös, es würde mich nervös machen, wenn ich dich neben mir weiß, und ich glaube, dir würde es nicht anders gehn.»
    «Ach, Otto», sagte sie. «Ich weiß ja, wenn du etwas willst, setzt du es auch durch. Ich kann mich nicht gegen dich behaupten. Aber ich werde vor Angst umkommen, jetzt, wo ich dich so in Gefahr weiß.»
    «Die Gefahr ist nicht größer als früher, nicht größer als damals, als ich die erste Karte in der Neuen Königstraße ablegte. Gefahr ist immer, Anna, für jeden, der das tut, was wir tun. Oder möchtest du, daß wir ganz damit

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