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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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    »
    «Und versprecht ihr euch wirklich etwas davon? Ihr paar Männekens und diese Riesenmaschine ...?»
    «Erstens sind wir nicht nur ein paar Männekens. Jeder anständige Deutsche, und zwei, drei Millionen gibt's von denen doch noch, wird mit uns mitmachen. Sie müssen nur erst mal mit ihrer Angst fertig werden. Jetzt ist ihre Angst vor der Zukunft, die uns die braunen Bonzen be-scheren werden, noch kleiner als die Angst vor den Drohungen der Gegenwart. Aber das wird sich bald ändern.
    Eine Weile mag der Hitler noch siegen, aber dann kommen die Rückschläge, er siegt sich einfach tot. Und die Fliegerangriffe werden auch immer massiver werden ...»
    «Und zweitens?» fragte Hergesell, den diese Kriegsprognosen, in die sich Grigoleit verlor, herzlich langweilten.
    «Zweitens .»
    «Zweitens, mein lieber Spitz, solltest du wissen, daß es gar nicht darauf ankommt, daß man zu wenigen gegen viele kämpft. Sondern, wenn man erst einmal eine Sache für wahrhaftig erkannt hat, so muß man eben für sie kämpfen. Ob du den Erfolg erlebst oder derjenige, der an deine Stelle getreten ist, das ist ganz egal. Ich kann nicht die
    Hände in den Schoß legen und sagen: Die sind zwar Schweine, aber was geht es mich an?»
    «Ja», sagte Hergesell. «Aber du bist auch nicht verheiratet, hast nicht für Frau und Kind zu sorgen ...»
    «Oh, verdammt noch mal!» schrie Grigoleit angewidert.
    «Höre auf mit diesem verdammten sentimentalen Geschwätz! Du glaubst ja selbst kein Wort von dem, was du brabbelst! Frau und Kind! Ja, du Idiot, fällt dir gar nicht ein, daß ich schon zwanzigmal hätte verheiratet sein können, wenn es mir darauf angekommen wäre, eine Familie zu gründen?! Aber ich mache so etwas nicht. Ich sage mir, ich habe erst das Recht, privatim glücklich zu sein, wenn Raum für ein solches Glück auf dieser Erde ist!»
    «Wir sind sehr weit auseinandergekommen!» murmelte Karl Hergesell halb gedrückt. «Ich nehm keinem was dadurch, daß ich glücklich bin.»
    «Doch, du stiehlst! Du stiehlst Müttern ihre Söhne, Frauen ihre Männer, Mädchen ihren Freund, solange du duldest, daß die täglich zu Tausenden erschossen werden, und machst nicht einen Finger krumm, um dem Morden Einhalt zu tun. Das weißt du alles ganz gut, und ich frage mich, ob du nicht beinah schlimmer bist als jeder braun in der Wolle gefärbte Nazi. Die sind zu dumm, um zu wissen, was für ein
    Verbrechen sie begehen. Du aber weißt es und tust doch nichts dagegen! Ob du nicht schlimmer bist als die Nazis? Natürlich bist du schlimmer!»
    «Gottlob sind wir hier am Bahnhof», sagte Hergesell und setzte den schweren Koffer ab. «Ich brauch mich nicht länger von dir anpöbeln zu lassen. Wären wir noch weiter zusammen gewesen, du hättest entdeckt, daß nicht der Hitler, sondern ich, der Hergesell, den ganzen Krieg angefangen hat.»
    «Hast du auch! Im übertragenen Sinn natürlich. Wenn man es genau nimmt, hat deine Lauheit es erst möglich gemacht .»
    Jetzt lachte Hergesell aber doch los, und auch der finstere Grigoleit verstieg sich zu einem Grinsen, als er in dieses lachende Gesicht sah.
    «Na, lassen wir das also!» sagte Grigoleit. «Wir werden uns nie verstehen.»
    Er strich sich mit der Hand über die hohe Stirn. «Aber eigentlich könntest du mir einen kleinen Gefallen tun, Hergesell.»
    «Ja, gerne, Grigoleit.»
    «Ich habe da diesen ollen schweren Koffer, den du eben geschleppt hast. In einer Stunde muß ich weiter nach Kö-nigsberg, dort brauch ich den Koffer gar nicht. Willst du ihn nicht so lange bei dir in Verwahrung nehmen?»
    «Ja, weißt du, Grigoleit», meinte Hergesell und sah den schweren Koffer mit Abneigung an. «Ich habe dir ja schon gesagt, ich wohne jetzt in Erkner draußen. Das gibt eine ziemliche Schlepperei bis dahin. Warum gibst du den Koffer nicht einfach hier auf die Gepäckaufbewahrung?»
    «Ja, warum? Warum ist die Banane krumm? Weil ich den Brüdern hier nicht traue. Ich habe alle meine Wäsche und die Schuhe und die besten Anzüge drin. Und hier wird soviel geklaut. Und außerdem die Bomben, die Tommys schmeißen doch besonders gern auf die Bahnhöfe - dann bin ich all mein Hab und Gut los.» Er drängte: «Also sag schon ja, Hergesell!» «Na, meinetwegen. Meiner Frau wird's nicht recht sein.
    Aber weil du es bist. Aber weißt du, Grigoleit, ich möchte meiner Frau lieber gar nicht sagen, daß ich dich getroffen hab. Das regt sie auf, das ist ihr und dem Kind nicht gut bei ihrem jetzigen Zustand, weißt

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