Jeder stirbt für sich allein
dieses Dreiecks, vermutlich in der Chodowiecki-, der Jablonski-oder der Christburger Straße.»
«Ganz ausgezeichnet, Herr Kriminalrat!» sagte der Obergruppenführer immer enttäuschter. «Übrigens erinnere ich mich, daß schon Escherich diese Straßen genannt hat. Er meinte nur, eine Haussuchung sei nutzlos. Wie denken Sie über eine Haussuchung?»
«Einen Augenblick, bitte», sagte Zott und hob die kleine Hand, die von all dem Aktenpapier, auf dem sie gelegen, etwas Vergilbtes angenommen zu haben schien. Jetzt war er wirklich tief verletzt. «Ich möchte Ihnen meine Ergebnisse genau vortragen, damit Sie es selbst übersehen können, ob die von mir vorzuschlagenden Maßnahmen auch zweckmäßig sind .»
Will sich sichern, der kleine Schlaufuchs! dachte Prall bei sich. Na warte, bei mir gibt's keine Sicherungen, und wenn ich mit dir Schlitten fahren will, tu ich's doch!
«Sehen wir diese Tabelle weiter an», dozierte der Kriminalrat fort, «so finden wir, daß alle Karten an Wochentagen abgelegt sind. Daraus müssen wir schließen, daß der Mann an Sonntagen seine Wohnung nicht verläßt. Der Sonntag ist sein Schreibetag, was auch dadurch erhärtet wird, daß die meisten Karten am Montag oder Dienstag gefunden wurden. Der Mann hat es immer eilig, dieses belastende Material aus dem Haus zu bekommen.»
Der kleine Spitzbauch hob den Finger. «Eine Ausnahme bilden allein die neun Karten, die südlich des Nollendorfplatzes gefunden worden sind. Sie sind alle an Sonntagen abgelegt worden, meist mit fast vierteljährlichem Abstand, und stets am späten Nachmittag oder frühen Abend. Woraus zu schließen ist, daß der Schreiber dort einen Verwandten, vielleicht eine alte Mutter, wohnen hat, der er in regelmäßigen Abständen einen Pflichtbesuch macht.»
Der Kriminalrat Zott machte eine Pause und sah den Obergruppenführer durch seine goldgeränderte Brille an, als erwarte er ein Wort der Anerkennung.
Aber der sagte nur: «Alles ganz schön und gut. Sicher sehr scharfsinnig. Aber ich sehe nicht, wie uns das weiter-führt .»
«Ein wenig doch, Herr Obergruppenführer!» widersprach der Kriminalrat. «Ich werde natürlich in den Häusern der genannten Straßen vertraulich und sehr behutsam nachforschen lassen, ob dort ein Mann wohnt, auf den meine Folgerungen zutreffen.»
«Das wäre doch was!» rief der Obergruppenführer erleichtert. «Sonst noch was?»
«Ich habe nun», sagte der Kriminalrat in stillem Triumph und zog eine zweite Karte hervor, «ich habe nun noch eine zweite Tabelle angefertigt, auf der ich mit Kreisen, die einen Durchmesser von einem Kilometer haben, die Hauptfundstellen rot eingekreist habe. Dabei sind die beiden Fundstellen Nollendorfplatz und mutmaßliche Wohnung außer Ansatz geblieben. Sehe ich mir diese elf Hauptfundstellen - es sind elf, Herr Obergruppenführer -
genauer an, so mache ich die überraschende Entdeckung, daß sie alle, ausnahmslos alle an oder in der Nähe von Straßenbahnhöfen liegen. Sehen Sie selbst, Herr Obergruppenführer! Hier! Und hier! Und dort! Da liegt der Bahnhof, hier - etwas rechts, fast außerhalb des Kreises, aber immerhin auf seinem Radius. Und nun wieder hier -
schön in der Mitte ...»
Zott sah den Obergruppenführer fast flehend an. «Das kann kein Zufall sein!» sagte er. «Solche Zufälle gibt's in der Kriminalistik nicht! Herr Obergruppenführer, der Mann muß irgendwas mit der elektrischen Straßenbahn zu tun haben.
Es ist gar nicht anders möglich. Er muß dort nachts arbeiten, gelegentlich auch mal nachmittags. Er wird aber keine Uniform tragen, das wissen wir aus den Berichten der beiden Zeuginnen, die ihn beim Ablegen gesehen haben. Herr Obergruppenführer, ich erbitte Ihre Erlaubnis, auf jedem dieser Bahnhöfe einen sehr guten Mann einsetzen zu dürfen. Ich verspreche mir von dieser Aktion noch mehr als von der Nachfrage in den Häusern.
Aber beide zusammen, und gründlich durchgeführt, dann werden wir bestimmt einen Erfolg erzielen!»
«Sie schlauer Fuchs, Sie!» rief jetzt der Obergruppenführer, auch ganz aufgeräumt, und schlug den Kriminalrat auf die Schulter, daß das Männchen in die Knie sackte.
«Sie alter schlauer Verbrecher! Das mit den Straßenbahnhöfen ist großartig. Der Escherich ist ein Hornvieh!
Darauf mußte er kommen. Natürlich haben Sie meine Erlaubnis! Machen Sie ein bißchen schnell, und in zwei, drei Tagen melden Sie mir, daß der Mann geschnappt ist! Ich will's dem Kamel, dem Escherich, noch selbst in die
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