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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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kraftloser geworden, ganz besonders, seit die beiden in den Krieg ziehen mußten.
    Nein, dieser Krieg hätte nicht kommen dürfen; war der Führer wirklich ein so großer Mann, hätte er ihn vermeiden müssen. Das bißchen Danzig und der schmale Korridor -und darum Millionen Menschen in tägliche Lebensgefahr gebracht - so was tat kein wirklich großer Mann!
    Aber freilich, die Leute erzählten ja, daß er so was wie unehelich sei. Da hatte er wohl nie eine Mutter gehabt, die sich richtig um ihn kümmerte. Und so wußte er auch nichts davon, wie Müttern zumute sein kann in dieser ewigen, nie abreißenden Angst. Nach einem Feldpostbrief war es ein, zwei Tage besser, dann rechnete man, wie lange es her war, seit er abgeschickt worden war, und die Angst begann von neuem.
    Sie hatte längst den Stopfstrumpf sinken lassen und nur so vor sich hin geträumt. Nun steht sie ganz mechanisch auf, rückt die Brühe von der besser brennenden Flamme auf die schwächere und setzt den Kartoffeltopf auf die bessere auf. Sie ist noch dabei, als bei ihr die Klingel geht. Sofort steht sie wie erstarrt. Enno! denkt es in ihr, Enno!
    Sie setzt den Topf leise hin und schleicht auf ihren Filzsohlen lautlos zur Tür. Ihr Herz geht wieder leichter: vor der Tür, ein bißchen ab, so daß sie gut gesehen werden kann, steht ihre Nachbarin, Frau Gesch. Sicher will sie wieder was borgen, Mehl oder ein bißchen Fett, das sie stets wiederzubringen vergißt. Aber Eva Kluge bleibt trotzdem mißtrauisch. Sie sucht, soweit es das Guckloch in der Tür
    erlaubt, den ganzen Treppenflur ab und lauscht auf jedes Geräusch. Aber alles ist in Ordnung, nur die Gesch scharrt manchmal ungeduldig mit den Füßen oder sieht nach dem Guckloch hin.
    Eva Kluge entschließt sich. Sie macht die Tür auf, aber nur so weit es die Kette zuläßt, und fragt: «Na, was soll's denn sein, Frau Gesch?»
    Sofort überstürzt Frau Gesch, eine abgemergelte, halb zu Tode gearbeitete Frau, deren Töchter auf Kosten der Mutter einen guten Tag leben, sie mit einer Flut von Klagen über die endlose Wascherei, immer anderer Leute dreckige Wäsche waschen und nie satt zu essen, und die Emmi und die Ulli tun rein gar nichts. Nach dem Abendessen gehen sie einfach weg und lassen der Mutter den ganzen Abwasch. «Ja, und Frau Kluge, was ich Sie bitten wollte, ich habe da im Rücken was, ich glaube, 'nen Fu-runkel. Wir haben bloß einen Spiegel, und meine Augen sind so schlecht. Wenn Sie sich das mal ansehen wollten -
    ich kann doch wegen so was nicht zum Doktor, wann habe ich denn Zeit für 'nen Doktor? Aber vielleicht können Sie es sogar ausdrücken, wenn's Ihnen nicht eklig ist, manche sind in so was eklig ...»
    Während Frau Gesch klagend immer so weiterredet, hat Eva Kluge ganz mechanisch die Kette losgemacht, und die Frau ist in die Wohnküche hineingekommen. Eva Kluge hat
    die Tür wieder zuziehen wollen, da hat sich ein Fuß dazwischengedrängt, und schon ist auch Enno Kluge in ihrer Wohnung. Sein Gesicht ist ausdruckslos wie immer; daß er doch etwas erregt ist, merkt sie nur daran, daß seine fast haarlosen Lider stark zittern.
    Eva Kluge steht mit hängenden Armen da, ihre Knie beben so sehr, daß sie sich am liebsten zu Boden sinken ließe. Der Redestrom von Frau Gesch ist ganz plötzlich versiegt, schweigend sieht sie in die beiden Gesichter. Es ist ganz still in der Küche, nur der Brühtopf brodelt leise.
    Schließlich sagt Frau Gesch: «Na, nun habe ich Ihnen den Gefallen getan, Herr Kluge. Aber ich sage Ihnen: Einmal und nicht wieder. Und wenn Sie Ihr Versprechen nicht halten und fangen das wieder an mit der Nichtstue-rei und dem Kneipenlaufen und dem Pferdewetten ...» Sie unterbricht sich, sie hat in das Gesicht von Frau Kluge gesehen, sie sagt: «Und wenn ich Mist gemacht habe, ich helfe Ihnen auf der Stelle, das Männeken rauszuschmeißen, Frau Kluge. Wir beide schaffen das doch wie nischt!»
    Eva Kluge macht eine abwehrende Bewegung. «Ach, lassen Sie schon, Frau Gesch, es ist ja doch alles egal!»
    Sie geht langsam und vorsichtig zum Korbstuhl und läßt sich in ihn sinken. Sie nimmt auch wieder den Stopfstrumpf zur Hand, aber sie starrt ihn an, als wüßte sie nicht, was
    das ist.
    Frau Gesch sagt ein wenig gekränkt: «Na, denn guten Abend oder Heil Hitler - ganz wie den Herrschaften das lieber ist!»
    Hastig sagt Enno Kluge: «Heil Hitler!»
    Und langsam, als erwache sie aus einem Schlaf, antwortet Eva Kluge: «Gute Nacht, Frau Gesch.» Sie besinnt sich.
    «Und

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