Jeder stirbt für sich allein
wenn wirklich was mit Ihrem Rücken ist», setzt sie hinzu.
«Nee, nee», antwortet Frau Gesch, schon vor der Tür, hastig. «Mit dem Rücken ist nichts, das habe ich nur so gesagt. Aber ich misch mich gewiß nich wieder in die Sachen von andern Leuten. Ich seh's ja doch: ich habe davon nie Dank.»
Damit hat sie sich aus der Tür geredet; sie ist froh, von diesen beiden schweigenden Gestalten fortzukommen, ihr Gewissen zwickt sie ein wenig.
Kaum ist die Tür hinter ihr zu, kommt Bewegung in den kleinen Mann. Ganz selbstverständlich öffnet er den Schrank, macht dadurch einen Bügel frei, daß er zwei Kleider seiner Frau übereinanderhängt, und hängt dafür seinen Mantel auf den Bügel. Die Sportmütze legt er oben auf den Schrank. Er geht stets sehr sorgfältig mit seinen
Sachen um, er haßt es, schlecht gekleidet zu sein, und er weiß, er kann sich nichts Neues kaufen.
Nun reibt er die Hände mit einem behaglichen «Soso!»
aneinander, geht zum Gasherd und schnuppert in den Töpfen. «Fein!» sagt er. «Brühkartoffeln mit Rindfleisch -
feinfein!»
Er macht eine Pause, die Frau sitzt bewegungslos, dreht ihm den Rücken. Er legt wieder leise den Deckel auf den Topf, stellt sich neben sie, so daß er auf sie hinunter redet:
«Nun sitz bloß nicht so da, Eva, als wenn du so 'ne Marmorfigur wärst! Was ist denn schon los? Du hast für ein paar Tage wieder 'nen Mann in der Wohnung, ich werd dir schon keine Scherereien machen. Und was ich dir versprochen habe, das halte ich. Ich will auch nichts von den Brühkartoffeln - höchstens, wenn ein kleiner Rest bleibt.
Und auch den nur, wenn du ihn mir freiwillig gibst - ich bitte dich nicht darum.»
Die Frau antwortet ihm mit keinem Wort. Sie stellt den Stopfkorb in den Schrank zurück, setzt sich einen tiefen Teller auf den Tisch, füllt sich aus den Töpfen auf und fängt langsam zu essen an. Der Mann hat sich an das andere Ende des Tisches gesetzt, ein paar Sportzeitungen aus der
Tasche gezogen und macht sich Notizen in ein dickes, schmieriges Notizbuch. Dabei wirft er von Zeit zu Zeit einen raschen Blick auf die essende Frau. Sie ißt sehr langsam, aber sie hat sich schon zweimal nachgefüllt, viel wird bestimmt nicht überbleiben für ihn, und er hat Hunger wie ein Wolf. Den ganzen Tag, nein, seit dem Abend vorher hat er nichts gegessen. Der Mann von der Lotte, der auf Urlaub aus dem Felde kam, hat ihn ohne jede Rücksicht auf sein Frühstück mit Schlägen aus dem Bett gejagt.
Aber er wagt es nicht, Eva von seinem Hunger zu sprechen, er hat Angst vor der schweigenden Frau. Ehe er sich hier erst richtig wieder zu Hause fühlen kann, muß noch allerlei geschehen. Daß dieser Moment kommen wird, daran zweifelt er nicht einen Augenblick: man kriegt jede Frau rum, nur beharrlich muß man sein und sich viel gefallen lassen. Schließlich, ganz plötzlich meist, geben sie nach, einfach weil ihnen das Wehren über ist.
Eva Kluge kratzt die Reste aus den Töpfen. Sie hat es geschafft, sie hat das Essen für zwei Tage an einem Abend geschafft, aber nun kann er sie doch nicht um die Reste anbetteln! Dann erledigt sie rasch das bißchen Abwasch und fängt eine große Umräumerei an. Direkt vor seinen Augen bringt sie alles, was ihr ein bißchen wert ist, in die Kammer. Die Kammer hat ein festes Schloß, in die Kammer ist er noch nie reingekommen. Sie schleppt die Eß-vorräte, ihre guten Kleider und Mäntel, das Schuhwerk, die Kissen vom Kanapee, ja sogar das Bild mit den beiden Jungen in die Kammer - alles vor seinen Augen. Es ist ihr ganz egal, was er denkt oder sagt. In die Wohnung ist er mit List gekommen, aber viel soll er davon nicht haben.
Dann schließt sie die Kammertür ab und holt sich das Schreibzeug an den Tisch. Sie ist todmüde, sie läge am liebsten im Bett, aber sie hat sich nun einmal vorgenommen, heute abend an den Karlemann zu schreiben, so tut sie's. Sie kann nicht nur hart gegen ihren Mann, sie kann auch hart gegen sich sein.
Sie hat erst ein paar Sätze geschrieben, da beugt sich der Mann über den Tisch und fragt: «An wen schreibste denn, Evchen?»
Unwillkürlich antwortet sie ihm, trotzdem sie sich fest vorgenommen hat, nicht mehr mit ihm zu sprechen. «An Karlemann .»
«So», sagt er und legt die Zeitungen aus der Hand. «So, also an den schreibste und schickst ihm womöglich auch noch Päckchen, aber für seinen Vater haste nicht mal 'ne Kartoffel und 'n Happen Fleisch übrig, hungrig wie der ist!»
Seine Stimme hat etwas von ihrem
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