Jeder stirbt für sich allein
Stimmen, die in ihr laut geworden waren, an Gewicht.
Früher als sonst machte sie Schluß mit der Arbeit. Sie ging wieder zu dem Jungen zurück und sagte zu ihm: «Ich mach jetzt Mittag. Wenn du willst, Kuno, kannst du mit mir kommen.»
Er riß noch ein paar Unkräuter aus und sah dann auf das gesäuberte Stück. «'ne janz schöne Ecke ha'ck jeschafft», sagte er befriedigt. «Natürlich ha'ck nur det jrobe Unkraut jenomm, for det kleene mußte noch mal mit de Hacke langjehn, det schafft denn aba mehr.» «Natürlich», sagte sie. «Nimm du nur das grobe Unkraut weg, mit dem kleinen will ich schon fertig werden.»
Er sah sie wieder von der Seite an, und sie merkte, daß diese blauen Augen auch schelmisch blicken konnten.
«Det soll woll 'ne Anspielung sind?» erkundigte er sich.
«Wie du meinst», sagte sie. «Es braucht keine zu sein.»
«Na denn!»
Sie blieb stehen auf dem Rückweg, an einem kleinen, eilig dahinströmenden Wasser.
«Ich möchte dich so, wie du aussiehst, nicht mit ins Dorf nehmen, Kuno», sagte sie.
Sofort erschien eine Falte auf seiner Stirn, und er fragte argwöhnisch: «Du schämst dir woll for mir?»
«Natürlich kannst du auch so mitkommen, meinetwegen», sagte sie. «Aber wenn du länger im Dorf bleiben willst, und du kannst fünf Jahre da sein und immer ordentlich gekleidet herumlaufen, die Bauern vergessen doch nie, wie du zu ihnen gekommen bist. Wie ein Dreck-schwein, werden sie noch in zehn Jahren sagen. Wie ein Penner.» «Da haste recht», sagte er. «So sind die Brüder. Na, denn mach ma und hol Zeuch! Ick will ma sehn, det ick mir unterdes hier 'n bißken abschrubbe.»
«Ich bringe Seife und Bürste mit», rief sie noch und machte sich eilig auf den Weg ins Dorf.
Später am Tage, sehr viel später am Tage, schon am Abend, als sie zu dreien ihr Abendbrot gegessen hatten: Frau Eva, der weißhaarige Kienschäper und ein fast bis zur Unkenntlichkeit verwandelter KunoDieter, später also sagte Frau Eva: «Heute schläfst du hier noch auf dem Heuboden, Kuno. Von morgen an kriege ich die kleine Kammer, sie müssen nur erst das Gerümpel rausstellen.
Ich richte sie dir hübsch ein. Möbel habe ich genug.»
Kuno sah sie nur an. «Det soll heeßen, det ick jetzt zu vaduften habe», sagte er, «det de Herrschaften unter sich sein wollen. Na denn! Aba schlafen jeh ick jetzt noch nich, Eva, ick bin doch keen Siebenmonatskind. Ick wer mir erst ma det Kaff bekieken.»
«Aber laß es nicht zu spät werden, Kuno! Und rauch nicht auf dem Heuboden!»
«I wo denn! Wo wer ick! Ick wär ja der erste, der abnib-beln müßte. Na denn! Ville Spaß noch, junge Leute, sagte der
Vata, da machte er Mutta een Kind!» Und Herr KunoDieter ging ab.
Frau Eva Kluge lächelte etwas bekümmert. «Ich weiß doch nicht, Kienschäper», sagte sie, «ob ich grade recht daran getan habe, dieses Früchtchen in unsere kleine Familie aufzunehmen. Er ist eine Zumutung, das ist er!»
Kienschäper lachte. «Aber Evi», sagte er, «du mußt doch selber merken, daß der Junge jetzt nur angibt! Der will sich hier ganz groß zeigen! Auch in aller Scheußlichkeit.
Und gerade, weil er merkt, du bist ein bißchen zimperlich .»
«Ich bin doch nicht zimperlich!» rief sie. «Aber wenn mir ein vierzehnjähriger Junge erzählt, er hat schon zwei Geliebte gehabt .»
«... so bist du eben doch zimperlich, Evi. Und was heißt übrigens zwei Geliebte, die er bestimmt gar nicht gehabt hat, sondern im schlimmsten Falle haben sie ihn gehabt!
Das heißt gar nichts! Ich will es deinen Ohren ersparen, Evi, dir zu erzählen, was die Kinder dieses schlichten, frommen Dorfes alles miteinander vorhaben, dagegen ist dein KunoDieter noch Gold!»
«Aber die Kinder reden nicht davon!» «Weil sie ein schlechtes Gewissen haben. Er aber hat keines, sondern sieht es ganz natürlich an, weil er es nämlich nie anders gesehen und gehört hat. Das gibt sich alles.
Ein guter Kern steckt in dem Jungen; in einem halben Jahr wird er schon schamrot werden, wenn er an das denkt, was er dir in den ersten Tagen alles gesagt hat. Er wird's ablegen, genauso wie sein Berlinisch. Hast du gemerkt, er kann ganz gut hochdeutsch reden, er will bloß nicht.»
«Ich habe ein schlechtes Gewissen, besonders vor dir, Kienschäper.»
«Das brauchst du nicht zu haben, Evi. Der Junge macht mir Spaß, und dessen sei sicher, er mag werden, wie er will: einer aus dem Hitlerdutzend wird er nie. Vielleicht ein Sonderling, aber nie ein Parteimann.»
«Das gebe
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