Jeder stirbt für sich allein
Gott!» sagte Eva. «Mehr will ich ja gar nicht erreichen.»
Und sie hatte das dunkle Gefühl, als mache sie mit dem geretteten KunoDieter die von Karlemann begangenen Schandtaten ein bißchen wieder gut.
Kriminalrat Zott gestürzt
Der Brief des Reviervorstehers war zwar ganz richtig an Herrn Kriminalrat Zott bei der Geheimen Staatspolizei, Berlin, adressiert gewesen. Aber das hatte noch nicht zur Folge, daß dieser Brief auch direkt bei dem Kriminalrat Zott eintraf. Sondern dessen Vorgesetzter, der SS-Obergruppenführer Prall, hatte ihn in den Händen, als er beim Kriminalrat eintrat.
«Was ist das für eine Sache, Herr Kriminalrat?» fragte Prall. «Hier ist wieder so 'ne Karte vom Klabautermann und daran angeheftet ein Zettel: Häftlinge laut telefonischer Weisung der Gestapo, Kriminalrat Zott, wieder entlassen. Was sind das für Häftlinge? Warum ist mir davon nichts gemeldet?»
Der Kriminalrat sah schräg durch die Brille zu seinem Vorgesetzten hin: «Ach so! Ja, jetzt erinnere ich mich. Das war vorgestern oder noch einen Tag früher. Jetzt weiß ich es wieder genau: am Sonntag war es. Abends. Zwischen sechs oder sieben, achtzehn und neunzehn Uhr wollte ich sagen, Herr Obergruppenführer.»
Und er sah, stolz auf sein ausgezeichnetes Gedächtnis, den Obergruppenführer an.
«Und was war da am Sonntag zwischen achtzehn und neunzehn Uhr? Wieso gab es da Häftlinge? Und warum wurden sie wieder entlassen? Und weshalb ist mir davon nichts gemeldet? Es ist zwar sehr beruhigend, daß Sie es jetzt wieder wissen, Zott, aber ich möcht's auch gerne wissen.»
Dieses ohne alle Titelei hervorgestoßene «Zott» klang wie ein erster Kanonenschuß.
«Aber eine ganz belanglose Geschichte!» Der Kriminalrat machte beruhigende Bewegungen mit seinem aktengelben Händchen. «Ein Unsinn auf dem Revier. Die hatten da als Kartenschreiber oder Kartenverteiler ein paar Leutchen festgenommen, ein Ehepaar, natürlich blanker Unsinn mal wieder von der Schupo. Ehepaar - da wir doch wissen, der Mann muß allein leben! Und dann, jetzt fällt mir auch das noch ein, von Beruf war der Mann Tischler, und wir wissen doch, er muß etwas mit der Straßenbahn zu tun haben!»
«Wollen Sie damit sagen, Herr», antwortete, nur noch mühsam an sich haltend, der Obergruppenführer (das
«Herr» war der zweite und weitaus schärfere Schuß in diesem Kriege), «wollen Sie damit sagen, daß Sie die Enthaltung dieser Leute angeordnet haben, ohne sie überhaupt zu sehen, ohne sie zu vernehmen - bloß weil es zwei waren statt einer, und bloß weil der Mann sich für einen Tischler ausgab? Herr!»
«Herr Obergruppenführer», antwortete der Kriminalrat Zott und stand auf. «Wir Kriminalisten arbeiten nach einem bestimmten Plan und weichen davon nicht ab. Ich suche einen einsam lebenden Mann, der was mit der Straßenbahn zu tun hat, und keinen Ehemann, der Tischler ist. Der interessiert mich nicht. Wegen dem gehe ich keinen Schritt.»
«Als wenn ein Tischler nicht auch für die BVG arbeiten könnte, zum Beispiel Bahnwagen reparieren!» schrie jetzt Prall. «So eine Hornsdummheit!»
Zuerst wollte Zott beleidigt sein, aber die treffende Bemerkung seines Vorgesetzten machte ihn doch bedenklich. «Freilich», sagte er betreten, «daran habe ich freilich nicht gedacht.» Er sammelte sich. «Aber ich suche einen einsam lebenden Menschen», sagte er wieder. «Und dieser Mann hat eine Frau.»
«Haben Sie eine Ahnung, was die Weiber für gemeine Biester sein können!» knurrte Prall. Aber er hatte noch etwas in Bereitschaft: «Und haben Sie, Herr Kriminalrat Zott» (der dritte und schärfste Schuß), «vielleicht auch daran nicht gedacht, daß diese Karte an einem Sonntagnachmittag abgelegt ist, in der Nähe des Nollendorfplatzes, der gehört nämlich zu dem Revier! Sollte auch dieser kleine, belanglose Umstand Ihrem kriminalistischen Scharfblick entgangen sein?»
Diesmal war der Kriminalrat Zott ehrlich bestürzt, sein Spitzbart zuckte, über seine dunklen, scharfen Augen zog es wie ein Schleier.
«Sie sehen mich in der größten Verlegenheit, Herr Obergruppenführer! Ich bin verzweifelt, wie konnte mir das nur geschehen? Ach ja, ich habe mich verrannt. Ich habe immer nur an diese Bahnhöfe von der Elektrischen gedacht, ich war so stolz auf diese Entdeckung. Zu stolz ...»
Der Obergruppenführer sah mit bösen Augen auf dieses Männchen, das in ehrlicher Bekümmernis, aber ohne Kriecherei seine Sünden bekannte.
«Es war ein Fehler von mir, ein
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