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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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in Fürsorge stecken?»
    «Nichts von beiden. Ich will sehen, daß du bei mir bleiben kannst. Und dann will ich dich selber unterrichten, und ein Freund von mir.»
    Er blieb mißtrauisch. «Un wat vadienst du denn bei det Jeschäft? Ick würde dir doch 'ne Masse kosten, mit Essen un Kleider un Schulbücher und so weiter.»
    «Ich weiß nicht, ob du das verstehen wirst, Kuno. Ich habe mal einen Mann und zwei Jungens gehabt, die habe ich verloren. Und nun bin ich ganz allein, nur den einen Freund habe ich noch!»
    «Da kannste doch noch 'n Kind kriejen!»
    Sie wurde rot, sie, die alternde Frau, errötete unter dem Blick des vierzehnjährigen Jungen.
    «Nein, ich kann keine Kinder mehr kriegen», sagte sie und sah ihn fest an. «Aber es würde mir Freude machen, wenn du noch etwas würdest, ein Autoingenieur oder ein Flugzeugkonstrukteur. Das würde mir Freude machen, daß ich aus so einem Jungen, wie du bist, noch etwas gemacht habe.»
    «Du denkst woll, ick bin een janz jemeenet Aas?» «Das weißt du doch selbst, daß jetzt nicht viel mit dir los ist, Kuno!»
    «Da haste recht. Det muß wahr sind!»
    «Und du hast keine Lust, was anderes zu werden?»
    «Lust schon, aber ...»
    «Aber was? Möchtest du nicht zu mir kommen?»
    «Möchten schon, aba ...»
    «Was ist das noch für ein Aber?»
    «Ick denk imma, du krichst mir schnell üba, und fortschicken laß ick mir nich jerne, ick jeh lieba von alleene.»
    «Du kannst jeden Tag von mir fortgehen, ich werde dich nie halten.»
    «Is det ein Wort?»
    «Das ist ein Wort, ich verspreche es dir, Kuno. Bei mir bist du ganz frei.»
    «Aba, wenn ick bei dir bin, denn muß ick richtig jemel-det wer'n und denn wissen's ooch meine Ollen, wo ick bin. Die lassen mir nich eenen Tach bei dir.»
    «Wenn das so aussieht bei euch zu Haus, wie du erzählt hast, wird dich keiner zwingen, zurückzugehen. Vielleicht werden mir dann die Rechte übertragen, und du bist ganz mein Junge .»
    Einen Augenblick sahen sich die beiden an. Sie meinte, in diesem blauen, gleichgültigen Blick einen fernen Glanz zu entdecken. Aber dann sagte er - und legte den Kopf auf den Arm, schloß die Augen: «Na, denn schön. Denn will ick ma 'n bißken schlafen. Jeh du man wieder bei deine Kartoffeln!»
    «Aber Kuno!» rief sie. «Du mußt mir doch wenigstens eine Antwort auf meine Frage geben!»
    «Muß ick?» fragte er sehr schläfrig. «Keen Mensch muß müssen.»
    Sie sah ein Weilchen zweifelnd auf ihn herab. Dann ging sie mit einem leichten Lächeln wieder an ihre Arbeit.
    Sie hackte, aber jetzt hackte sie ganz gedankenlos.
    Zweimal ertappte sie sich dabei, daß sie eine Kartoffel umgelegt hatte. Paß doch auf, Eva! sagte sie dann ärgerlich zu sich selbst.
    Aber viel besser paßte sie darum doch nicht auf. Sondern sie dachte daran, daß es vielleicht besser sei, wenn es mit diesem verkommenen Jungen und ihr nichts würde.
    Wieviel Liebe und Arbeit hatte sie in den Karlemann gesteckt, der ein unverdorbenes Kind gewesen war - und was war aus Liebe und Arbeit geworden? Und sie wollte einen vierzehnjährigen Bengel, der das ganze Leben und alle Menschen verachtete, noch einmal völlig umändern?
    Was hatte sie sich da eingebildet? Außerdem würde Kienschäper nie damit einverstanden sein ...
    Sie sah sich nach dem Schläfer um. Aber der Schläfer war nicht mehr da, allein lagen ihre Sachen im Schatten des Waldrandes.
    Also gut! dachte sie bei sich. Er hat mir schon jede Entscheidung abgenommen. Ausgerissen! Um so besser!
    Und sie hackte zornig drauflos.
    Aber einen Augenblick später entdeckte sie KunoDieter auf dem andern Ende des Kartoffelackers, wie er fleißig Unkraut ausriß und die Bündel am Feldrand aufschichtete.
    Sie stieg über die Furchen fort zu ihm hin.
    «Schon ausgeschlafen?» fragte sie.
    «Kann nich schlafen», sagte er. «Mir haste den Kopp dußlig jeredt. Muß nachdenken.»
    «Denn tu das man! Aber denk nicht, daß du meinetwegen arbeiten mußt.»
    «Deinetwegen!» Soviel Verachtung, wie er in dieses ei-ne Wort legte, war gar nicht auszudenken. «Ick reiß Unkraut aus, weil sich's dabei besser nachdenkt, und weil's mir eben Spaß macht. Wahrhaftig! Wejen dir! Für die paar Sechserstullen meenste?»
    Wieder ging Frau Eva Kluge mit einem stillen Lächeln an ihre Arbeit zurück. Und er tat es doch ihretwegen, wenn er es auch nicht einmal vor sich selber wahrhaben wollte. Jetzt hatte sie keinen Zweifel mehr, daß er mittags mit ihr gehen würde, und davor verloren alle mahnenden und warnenden

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