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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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beim Buchstaben H.
    Obergruppenführer Prall rauchte Zigaretten, die er gleich wieder ausdrückte. Er begann Flüstergespräche, die nach wenigen Sätzen wieder versandeten. Er trommelte mit den Fingern Märsche auf die Fensterscheiben. Er fing plötzlich scharf an: «Ich finde das alles blöd! Viel einfacher wäre es doch .»
    Kommissar Escherich sah nicht einmal hoch. Jetzt hatte ihn die Angst vor seinem Vorgesetzten endlich verlassen.
    Er mußte den Mann finden, er gab sich aber zu, daß ihn der Mißerfolg mit den Straßen stark störte. Prall konnte noch so ungeduldig werden, auf eine Massenvernehmung ließ er sich nicht ein.
    «Weiter bitte!»
    «Kämpfer, Eugen - das ist der Werkmeister!»
    «Kommt nicht in Frage, bitte um Entschuldigung. Hat sich bereits heute morgen um neun Uhr die Hand in der Hobelmaschine verletzt. Statt seiner macht Werkmeister Quangel heut Dienst ...»
    «Also weiter: Krull, Otto ...»
    «Ich bitte nochmals um Entschuldigung: Werkmeister
    Quangel steht nicht auf der Liste des Herrn Kommissars .»
    «Stören Sie doch nicht ewig! Wie lange sollen wir denn hier noch sitzen? Quangel, dieses alte Riesenroß, kommt doch nie in Frage!»
    Aber Escherich, ein Fünkchen Hoffnung glimmt wieder in ihm, fragt: «Wo wohnt dieser Quangel?»
    «Wir müssen erst mal nachsehen, weil er nicht zu dieser Belegschaft gehört.»
    «Also lassen Sie doch nachsehen! Bißchen schnell, was?
    Ich hatte um eine vollständige Liste gebeten!»
    «Natürlich wird nachgesehen. Aber ich sage Ihnen, Herr Kommissar, bei diesem Quangel handelt es sich um einen fast völlig vertrottelten alten Mann, der übrigens schon viele Jahre in unserm Betrieb arbeitet. Wir kennen den Mann durch und durch .»
    Der Kommissar winkte ab. Er wußte, wieviel Irrtümer sich Menschen hingeben, die ihre Mitmenschen durch und durch zu kennen glauben.
    «Nun?» fragte er gespannt den wieder eintretenden Bürojüngling. «Nun!»
    Nicht ohne Feierlichkeit sagte der junge Mann: «Werkmeister Quangel wohnt in der Jablonskistraße Nummer .»
    Escherich sprang auf.
    Mit einer bei ihm ganz ungewohnten Erregung rief er:
    «Das ist er! Ich habe den Klabautermann!»
    Und Obergruppenführer Prall schrie: «Nichts wie her mit dem Schwein! Und dann schleifen, schleifen, nichts wie schleifen!»
    Die Erregung war allgemein.
    «Der Quangel! Wer hätte das gedacht - der Quangel?
    Dieser alte Dussel - unmöglich! Aber er hat als erster die Karten gefunden! Kunststück, wo er sie selbst hingelegt hat! Aber wer ist denn solch ein Idiot und stellt sich selbst eine Falle? Quangel! - Unmöglich!»
    Und über allen die schreiende Stimme Pralls: «Nichts wie her mit dem Schwein! Und schleifen, schleifen!»
    Als erster war der Kommissar Escherich wieder ruhig geworden.
    «Auf ein Wort, bitte, Herr Obergruppenführer! Ich bitte, vorschlagen zu dürfen, daß wir erst einmal in der Wohnung dieses Quangel eine kleine Haussuchung machen.»
    «Aber wozu diese Umstände, Escherich? Nachher läuft uns der Kerl womöglich fort!»
    «Aus diesem Bau kommt jetzt keiner mehr raus! Aber wenn wir was in der Wohnung finden, das ihn ohne weiteres überführt, das jedes Leugnen unmöglich macht? Das würde uns viel Arbeit sparen! Jetzt ist dafür der richtige Zeitpunkt! Jetzt wo der Mann und seine Familie noch nicht weiß, daß wir ihn in Verdacht haben ...»
    «Viel einfacher ist es doch, dem Mann die Eingeweide langsam aus dem Leibe zu leiern, bis er gesteht. Aber meinethalben: fassen wir gleich die Frau auch! Aber das sage ich Ihnen, Escherich, wenn der Kerl hier unterdes Schweinereien macht, sich in 'ne Maschine schmeißt und so was, dann fahre ich wieder mit Ihnen Schlitten! Ich will den Kerl baumeln sehen!»
    «Das werden Sie auch! Ich werde diesen Quangel ununterbrochen durch die Tür beobachten lassen. Die Arbeit geht weiter, meine Herren, bis wir zurück sind - ich denke, in etwa einer Stunde ...»

Die Verhaftung von Anna Quangel
    Nachdem Otto Quangel gegangen war, verfiel Anna Quangel in einen Zustand benommenen Vorsichhinbrü-
    tens, aus dem sie aber bald wieder hochschreckte. Sie tastete die Bettdecke nach den beiden Postkarten ab, fand sie aber nicht. Sie überlegte und konnte sich nicht erinnern, daß Otto die Karten mitgenommen hatte. Nein, im Gegenteil, jetzt wußte sie wieder genau, daß sie selbst morgen oder übermorgen die Karten wegbringen wollte -so war es ausgemacht.
    Die Postkarten mußten also in der Wohnung sein. Und sie beginnt, eisig oder durchglüht vom Fieber,

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