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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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ermorden, er wird noch nicht aufhören, wenn er Trauer in jedes Haus der Welt gebracht hat .»
    Sie horcht. Sie lächelt. Sie sagt: «Das hat 'ne Mutter geschrieben! Das hat mein Otto nicht geschrieben, das träumen Sie bloß!»
    Und der Kommissar: «Das hat Otto geschrieben, und du hast's ihm diktiert! Sag's!»
    Aber sie schüttelt den Kopf. «Nein, lieber Herr! So was kann ich ja gar nicht diktieren, dafür reicht mein Kopf nicht .»
    Der Kommissar steht auf und geht aus der Schlafstube. In der Wohnstube fängt er an, mit seinen Leuten nach
    Schreibzeug zu suchen. Er findet ein Fäßchen mit Tinte, Federhalter und Feder, die er aufmerksam betrachtet, und eine Feldpostkarte. Er geht damit zu Anna Quangel zurück.
    Die hat unterdes der Obergruppenführer Prall vernommen, auf seine Art. Prall ist fest davon überzeugt, daß all dies Getue von Grippe und Fieber nur «Fiole» ist, daß die Frau simuliert. Aber wenn sie auch wirklich krank wäre, würde das an seinen Vernehmungsmethoden nicht das geringste ändern. Er packt Anna Quangel bei den Schultern, doch so, daß es ihr wirklich weh tut, und fängt an, sie zu beuteln. Der Kopf schlägt gegen die hölzerne Bettwand.
    Während er sie so zwanzig-, dreißigmal hochreißt und wieder in das Kissen drückt, schreit er ihr wütend ins Gesicht: «Willst du noch weiterlügen, du olle Kommunistensau? Du - sollst - nicht - lügen! Du - sollst - nicht - lügen!»
    «Nicht!» lallt die Frau. «Sie sollen das nicht!» «Sag, daß du die Karten geschrieben hast! Sag - das -auf - der - Stelle! Oder - ich - schlage - dir - deinen -Bregen - kaputt, du rote Sau, du!»
    Und bei jedem Wort läßt er ihren Kopf gegen die Bettwand krachen.
    Der Kommissar Escherich, das Schreibzeug in der Hand, sieht von der Tür her mit einem Lächeln zu. Das ist also eine Vernehmung durch den Obergruppenführer! Wenn er noch fünf Minuten so weitermacht, wird die Frau fünf Tage lang vernehmungsunfähig sein. Keine noch so raffiniert ausgedachte Quälerei wird ihr dann das Bewußtsein wiedergeben.
    Aber für einen Augenblick ist das vielleicht nicht einmal so schlecht. Soll die ruhig ein bißchen Angst kriegen und Schmerzen haben, um so eher wird sie sich an ihn, den höflichen Mann, klammern!
    Als der Obergruppenführer den Kommissar am Bett auftauchen sieht, hört er mit seiner Beutelei auf und sagt halb entschuldigend und halb vorwurfsvoll: «Sie sind viel zu sanft mit solchen Weibern, Escherich! Die muß man schleifen, bis sie quieken!»
    «Gewiß, Herr Obergruppenführer, sicher! Aber darf ich der Frau erst einmal etwas zeigen?»
    Er wendet sich an die Kranke, die jetzt mühsam keuchend und mit geschlossenen Augen im Bett liegt: «Frau Quangel, hören Sie mal her!»
    Sie scheint nicht zu hören.
    Der Kommissar faßt sie an und setzt sie vorsichtig auf.
    «So», sagt er, sanft zuredend. «Nun machen Sie mal die Augen auf!»
    Sie tut es. Escherich hat ganz richtig gerechnet: nach dem Schütteln und Drohen eben klingt ihr die freundlich-höfliche Stimme angenehm.
    «Sie haben mir doch eben gesagt, daß bei Ihnen hier schon lange keiner geschrieben hat? Nun, sehen Sie sich mal diese Feder an. Mit der ist grade erst geschrieben, vielleicht heute oder gestern, die Tinte sitzt noch ganz frisch dran! Sehen Sie, ich kann sie mit dem Nagel ab-kratzen!»
    «Davon versteh ich nichts!» sagt Frau Quangel abweisend. «Da müssen Sie meinen Mann nach fragen, von so was versteh ich nichts.»
    Kommissar Escherich sieht sie aufmerksam an. «Sie verstehen ganz gut, Frau Quangel!» sagt er etwas schärfer.
    «Bloß, Sie wollen nicht verstehen, weil Sie wissen, Sie haben sich schon verraten!»
    «Bei uns schreibt keiner», wiederholt Frau Quangel hartnäckig.
    «Und Ihren Mann brauche ich nicht mehr zu befragen», fährt der Kommissar fort. «Weil er nämlich schon alles gestanden hat. Er hat die Karten geschrieben, und Sie haben sie ihm diktiert ...»
    «Na, denn ist's ja gut, wenn Otto das gestanden hat», sagt Anna Quangel.
    «Hau das freche Aas doch in die Fresse, Escherich!»
    schreit der Obergruppenführer plötzlich dazwischen. «So
    'ne Frechheit, uns hier anzusohlen!»
    Aber der Kommissar haut das freche Aas nicht in die Fresse, sondern er sagt: «Wir haben Ihren Mann geschnappt mit zwei Postkarten in der Tasche. Er konnte ja gar nicht leugnen!»
    Als Frau Quangel das mit den beiden Postkarten hört, die sie so lange im Fieber gesucht hat, fährt wieder ein Erschrecken durch sie. Also hat er sie doch

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