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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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gegangen, wiederholt seine Botschaft.
    Nein, jetzt hat er es nicht mehr nötig, ihnen das Schwatzen zu verbieten, sie anzutreiben. Alle arbeiten sie stumm und verbissen vor sich hin. Alle empfinden sie die Gefahr, die jedem droht. Denn es ist unter diesen achtzig keiner, der sich nicht irgendwie und irgendwann gegen den heutigen Staat vergangen hat, und sei es nur mit einem Wort! Jeder ist bedroht. Das Leben eines jeden ist ge-fährdet. Alle haben sie Angst ...
    Aber unterdes bauen sie Särge. Sie häufen die Särge, die nicht abtransportiert werden können, in einer Ecke der Werkstatt auf. Erst sind es nur ein paar, aber wie die Stunden gehen, werden es mehr und mehr, sie türmen sie übereinander, sie wachsen auf bis unter die Decke, sie sta-peln neue daneben. Särge über Särge, für jeden in der Belegschaft, für jeden im deutschen Volk! Noch leben sie, aber sie zimmern schon an ihren Särgen.
    Quangel steht unter ihnen. Er bewegt den Kopf ruckweise weiter und weiter. Er spürt auch die Gefahr, aber sie macht ihn lachen. Ihn fangen sie nie. Er hat sich einen Spaß erlaubt, er hat den ganzen Apparat wild gemacht, aber er ist nur der alte dußlige Quangel, von Geiz besessen. Ihn werden sie nie verdächtigen. Er kämpft weiter, immer weiter.
    Bis sich wieder die Tür öffnet und der Herr mit den messerscharf gebügelten Hosen hervorkommt. Ihm folgt ein anderer, ein langer, schlenkriger Mann, mit einem sandfarbenen Schnurrbart, den er zärtlich streichelt.
    Sofort hört an allen Plätzen die Arbeit auf.
    Und während der Büroherr schreit: «Belegschaft! Feierabend!» -
    während sie wie erlöst und doch ungläubig die Werk-zeuge aus der Hand legen -
    während langsam in ihre stumpf gewordenen Augen wieder Licht tritt -
    währenddem hat der lange Mann mit dem hellen Schnurrbart gesagt: «Werkmeister Quangel, ich verhafte Sie wegen des dringenden Verdachts von Landes-und Hochverrat. Gehen Sie mir unauffällig voran!»
    Arme Anna - dachte Quangel und ging langsam, hoch erhoben den Kopf mit dem Vogelprofil, dem Kommissar Escherich voran aus der Werkstatt.
    Montag, der Tag des Kommissars Escherich Diesmal hatte der Kommissar Escherich rasch und fehlerfrei gearbeitet. Kaum hatte ihn die telefonische Nachricht erreicht, daß zwei Postkarten in einer mit achtzig Mann besetzten Werkstatt der Möbelfabrik Krause & Co. gefunden seien, da hatte er gewußt: dies war die Stunde, auf die er so lange gewartet, jetzt hatte der Klabautermann endlich den so lange erwarteten Fehler gemacht. Jetzt würde er ihn fassen!
    Fünf Minuten darauf hatte er genügend Mannschaften zur Abriegelung des ganzen Fabrikgeländes angefordert und sauste in dem vom Obergruppenführer selbst gesteu-erten Mercedes zur Fabrik.
    Aber während Prall dafür war, sofort die achtzig Mann aus der Werkstatt zu holen und jeden Mann einzeln so lange zu vernehmen, bis die Wahrheit ans Tageslicht gekommen war, hatte Escherich gesagt: «Ich brauche sofort eine Liste aller in der Werkstatt Arbeitenden mit ihren Wohnungen. Wie rasch kann ich die haben?»
    «In fünf Minuten. Was wird mit den Leuten? Sie haben in fünf Minuten Feierabend.»
    «Zum Schichtende lassen Sie ihnen sagen, daß sie weiterzuarbeiten haben. Gründe unnötig. Jede Tür zur
    Werkstatt ist mit Doppelposten zu besetzen. Niemand verläßt den Raum. Sorgen Sie dafür, daß dies alles möglichst unauffällig geschieht, jede Beunruhigung der Leute ist zu vermeiden!»
    Und als der Kontorist mit der Liste hereinkommt: «Der Kartenschreiber muß in der Chodowiecki-oder in der Jablonski-oder in der Christburger Straße wohnen. Wer von den achtzig wohnt dort?»
    Sie sehen die Liste durch: Keiner! Kein einziger!
    Noch einmal schien das Glück Otto Quangel retten zu wollen. Er arbeitete in einer fremden Belegschaft, er stand nicht auf der Liste.
    Der Kommissar Escherich schob die Unterlippe vor, zog sie rasch wieder zurück und biß zwei-, dreimal kräftig auf seinen Bart, den er eben noch gestreichelt hatte. Er war seiner Sache ganz sicher gewesen und war nun maßlos enttäuscht.
    Aber außer der Mißhandlung des geliebten Bartes ließ er sich von einer Enttäuschung nichts merken, sondern er sagte kühl: «Wir sprechen jetzt die Personalverhältnisse eines jeden Arbeiters durch. Wer von den Herren kann genaue Angaben machen? Sie sind der Personalchef?
    Schön, also beginnen wir, Abeking, Hermann ... Was ist bekannt über den Mann?»
    Es ging unendlich langsam voran. Nach fünfviertel Stunden waren sie erst

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