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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Bein aufs andere. «Herr Direktor, ich verlange ...»
    «Ach was!» sagte der Direktor. «Lassen Sie die Leute doch zufrieden! Sie sehen doch, das ist ein ganz ruhiger Mann! Nicht wahr, das sind Sie doch?»
    «Natürlich!» antwortete Quangel. «Er soll mich nur zufrieden lassen. Ich lasse ihn schon in Ruhe.»
    «Ich protestiere! Ich verlange ...!» schrie der Pinscher.
    «Was denn?» sagte der Direktor. «Was können Sie denn jetzt noch verlangen? Mehr als hinrichten können wir den
    Mann doch nicht, und das weiß der sehr gut. Also, machen Sie los, lesen Sie ihm schon das Urteil vor!»
    Endlich beruhigte sich der Pinscher, entfaltete ein Aktenstück und begann vorzulesen. Er las hastig und undeutlich, übersprang Sätze, verwirrte sich und schloß ganz plötzlich: «Also, Sie wissen Bescheid!»
    Quangel antwortete nicht.
    «Führen Sie den Mann nach unten!» sagte der rotbärtige Direktor, und die beiden Wachen packten Quangel fest bei den Armen.
    Er machte sich unwillig los. Sie packten ihn noch fester an.
    «Lassen Sie den Mann allein gehen!» befahl der Direktor. «Der wird schon keine Schwierigkeiten machen.»
    Sie traten auf den Gang hinaus. Dort standen eine Menge Leute, Uniformierte und Zivilisten. Plötzlich hatte sich ein Zug gebildet, dessen Mittelpunkt Otto Quangel war.
    An der Spitze gingen Wachtmeister. Dann folgte der Pastor, der jetzt einen Talar mit weißem Kragen trug und irgend etwas Unverständliches vor sich hin betete. Hinter ihm ging Quangel, in eine ganze Traube von Aufsehern gehüllt, aber der kleine Arzt im hellen Anzug hielt sich dicht
    bei ihm. Dahinter folgten der Direktor und der An-kläger, denen wieder Zivilisten und Uniformierte nach-gingen, die Zivilisten zum Teil mit Fotoapparaten bewaffnet.
    So bewegte sich der Zug über Korridore, die schlecht beleuchtet waren, über eiserne Treppen, deren Linoleumbe-lag schlüpfrig war, durch das Totenhaus. Und wo er vorbeikam, schien ein Stöhnen in den Zellen laut zu werden, ein verhaltenes Ächzen aus tiefster Brust. Plötzlich rief eine Stimme aus einer Zelle sehr laut: «Lebe wohl, Genosse!»
    Und ganz mechanisch antwortete Otto Quangel laut:
    «Lebe wohl, Genosse!» Erst einen Augenblick später fiel ihm ein, wie widersinnig dieses «Lebewohl» an einen Sterbenden gewesen war.
    Jetzt wurde eine Tür aufgeschlossen, und sie traten auf den Hof hinaus. Noch hing das nächtliche Dunkel zwischen den Mauern. Quangel sah rasch rechts und links, seiner überwachen Aufmerksamkeit entging nichts. Er sah an den Fenstern des Zellengefängnisses das Rund vieler bleicher Gesichter, die Kameraden, die, gleich ihm zum Tode verurteilt, noch lebten. Ein Schäferhund fuhr laut bellend dem Zug entgegen, wurde von den Posten zurück-gepfiffen und zog sich knurrend zurück. Der Kies knirschte unter den
    vielen Füßen, es sah aus, als müsse er bei Tageslicht leicht gelblich aussehen, jetzt, im Schein der elektrischen Lampen, wirkte er weißlichgrau. Über die Mauer sah schattenhaft der Umriß eines entblätterten Baumes.
    Die Luft war fröstelig und feucht. Quangel dachte: In einer Viertelstunde werde ich nicht mehr frieren - komisch!
    Seine Zunge tastete nach der Glasampulle. Aber es war noch zu früh .
    Seltsam, so deutlich er alles sah und hörte, was um ihn vorging, bis auf die geringste Kleinigkeit, so unwirklich schien ihm doch alles. Dies war ihm einmal erzählt worden. Er lag in seiner Zelle und träumte davon. Ja, es war ganz unmöglich, daß er hier körperlich wandelte, und sie alle, die hier mit ihm gingen, mit ihren gleichgültigen oder rohen oder gierigen oder traurigen Gesichtern, sie alle waren nichts Körperliches. Der Kies war Traumkies, und das Scharren der Füße, das Knirschen der Steinchen unter den Sohlen - das waren Traumgeräusche .
    Sie traten durch eine Tür und kamen in einen Raum, der so grell beleuchtet war, daß Quangel zuerst nichts sah.
    Seine Begleiter rissen ihn plötzlich nach vorn, an dem niederknienden Geistlichen vorbei.
    Der Scharfrichter kam mit seinen beiden Gehilfen auf ihn zu. Er streckte ihm die Hand hin.
    «Also, nimm mir"s nicht übel!» sagte er.
    «Nee, zu was denn?» antwortete Quangel und nahm mechanisch die Hand.
    Während der Scharfrichter Quangel die Jacke auszog und den Kragen seines Hemdes abschnitt, sah Quangel zurück auf die, die ihn begleitet hatten. Er sah in der blen-denden Helle nur einen Kranz weißer Gesichter, die ihm alle zugewandt waren.
    Ich träume das, dachte er, und sein Herz begann

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