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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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SS-Männer waren nicht allein gegangen. Sie hatten von ihrem Bruder Baldur den Befehl erhalten, den Borkhausen und den Enno Kluge (Baldur hatte unterdes seine Papiere durchgesehen) aus dem Hause und zu ihren Frauen zu schaffen, die beiden Amateureinbre-cher waren immer noch fast völlig benebelt von dem Übermaß genossenen Alkohols und von dem Schlag, den sie abbekommen hatten. Doch war es Baldur Persicke gelungen, ihnen begreiflich zu machen, daß sie sich wie die Schweine benommen hätten, daß es nur der großen Men-schenliebe der Persickes zu verdanken sei, wenn sie nicht sofort der Polizei übergeben wurden, daß aber jedes Ge-quatsche sie unweigerlich dorthin bringen würde. Außerdem hatten sie sich nie wieder bei Persickes sehen zu lassen und keinen Persicke je zu kennen. Wenn sie sich aber erfrechen würden, je wieder in die Rosenthalsche Wohnung zu kommen, würden sie unweigerlich der Gestapo übergeben.
    All dies hatte ihnen Baldur so oft und mit so vielen Drohungen und Beschimpfungen wiederholt, bis es in ihren
    verblödeten Hirnen völlig festzusitzen schien. Sie hatten sich da am Tisch der Persickeschen Wohnung gegenübergesessen, in einem halben Zwielicht, zwischen sich den unaufhörlich schwatzenden, drohenden, blitzenden Baldur. Auf dem Sofa hatten sich die beiden SS-Männer herumgelümmelt, drohende, finstere Gestalten, trotz ihres ewigen Zigarettenrauchens. Sie hatten das unsichere Gefühl, als ständen sie vor einem Gerichtshof zur Aburtei-lung, der Tod schien ihnen zu drohen. Sie schwankten auf ihren Stühlen hin und her und versuchten zu verstehen, was sie verstehen sollten. Dazwischen dösten sie ein und wurden sofort wieder durch einen schmerzhaften Faustschlag Baldurs geweckt. Alles, was sie geplant, getan, erlit-ten hatten, schien ihnen wie ein unwirklicher Traum, sie sehnten sich nur nach Schlaf und Vergessen.
    Schließlich schickte sie Baldur mit seinen Brüdern fort.
    In den Taschen trugen Borkhausen wie Kluge, ohne es zu wissen, etwa fünfzig Mark in kleinen Scheinen. Baldur hatte sich zu diesem neuen, schmerzlichen Opfer entschlossen, durch das die Unternehmung Rosenthal für die Persickes vorläufig zu einem reinen Verlustgeschäft wurde. Aber er sagte sich, wenn die Männer ohne alles Geld, zerschlagen und arbeitsunfähig, zu ihren Frauen zurück-kehrten, würde es bei den Weibern viel mehr Geschrei und Nachfrage geben, als wenn ihnen die betrunkenen Kerle einiges Geld zutrugen. Und er rechnete damit, daß bei dem Zustand der Männer die Frauen das Geld finden würden.
    Der ältere Persicke, der Borkhausen nach Haus zu bringen hatte, war mit seiner Aufgabe in zehn Minuten fertig, in jenen zehn Minuten, in denen Frau Rosenthal die Frommsche Wohnung erreicht hatte und Trudel Baumann auf die Straße getreten war. Er hatte den fast gehunfähigen Borkhausen einfach beim Kragen gepackt, über den Hof geschleppt, vor der Borkhausenschen Wohnung auf die Erde gesetzt und die Frau mit festen Faustschlägen gegen die Tür geweckt. Als sie erschrocken vor der finster drohenden Gestalt zurückgewichen war, hatte er sie angeschrien: «Da bring ich dir deinen Kerl! Pack ihn ins Bett rein! Hier bei uns im Treppenhaus besoffen rumliegen und alles vollkotzen ...!»
    Damit ging er und überließ das andere Otti. Sie hatte noch ihre Mühe gehabt, den Emil aus den Kleidern und ins Bett zu bringen, dabei hatte der ältere bessere Herr, der noch bei ihr zu Gaste war, helfen müssen. Dann war er fortgeschickt worden - trotz der frühen Stunde. Auch jedes Wiederkommen war ihm verboten, vielleicht konnte man sich mal in einem Café treffen, aber hier, nein, nie wieder.
    Denn Ottichen war von einer panischen Angst ergriffen, seit sie den SS-Mann Persicke an ihrer Tür erblickt hatte.
    Sie wußte von mancher Kollegin, die von diesen schwarzen Herren statt einer Bezahlung als asozial und arbeits-scheu
    in ein KZ geschafft worden war. Sie hatte geglaubt, in ihrer düsteren Kellerwohnung ein völlig unbeobachtetes Dasein zu fristen, nun hatte sie erfahren, daß sie - wie alles zu dieser Zeit - ständig bespitzelt wurde. Zum hundertstenmal in ihrem Leben gelobte sie sich Besserung.
    Dieser Entschluß wurde ihr erleichtert, als sie achtundvierzig Mark in Emils Tasche fand. Sie steckte das Geld in ihren Strumpf und entschloß sich abzuwarten, was Emil von seinen Erlebnissen berichten würde, sie jedenfalls würde von dem Gelde nichts wissen.
    Die Aufgabe des zweiten Persicke war wesentlich schwieriger, vor allem

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