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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Nein, all dies mußte so bleiben, wie es jetzt war. Sie brachte es nicht in Gefahr. (Drei Jahre später sollte eine Sprengmine dieses Heim in Atome zerreißen, und der gepflegte alte Herr sollte im Keller sterben, langsam und qualvoll ...) Sie sagte, indem sie die leere Tasse auf das Tablett zu-rückstellte: «Sie sind sehr gütig zu mir, Herr Kammergerichtsrat, und sehr mutig. Aber ich will Sie und Ihr Heim nicht nutzlos in Gefahr bringen. Es hilft doch alles nichts.
    Ich gehe in meine Wohnung zurück.»
    Der alte Herr hatte sie aufmerksam angesehen, während sie sprach, nun führte er die schon Aufgestandene in ihren Sessel zurück. «Bitte, setzen Sie sich noch einen Augenblick, Frau Rosenthal!»
    Sie tat es widerstrebend. «Wirklich, Herr
    Kammergerichtsrat, es ist mir Ernst mit dem, was ich sage.»
    «Hören Sie mich bitte erst an. Auch mir ist es Ernst mit dem, was ich Ihnen sagen werde. Was zuerst die Gefahr anlangt, in die Sie mich bringen, so habe ich mein Lebtag, seit ich im Beruf stehe, in Gefahr geschwebt. Ich habe eine Herrin, der ich zu gehorchen habe, sie regiert mich, Sie, die Welt, selbst die Welt jetzt draußen, und diese Herrin ist die Gerechtigkeit. An sie habe ich immer geglaubt, glaube ich heute noch, die Gerechtigkeit habe ich allein zur Richtschnur meines Handelns gemacht ...»
    Während er so sprach, ging er leise auf und ab im Zimmer, die Hände auf dem Rücken, stets in Frau Rosenthals Gesichtsfeld bleibend. Die Worte kamen ruhig und leidenschaftslos von seinen Lippen, er sprach von sich wie von einem vergangenen, eigentlich nicht mehr existierenden Mann. Frau Rosenthal folgte gespannt jedem seiner Worte.
    «Doch», fuhr der Kammergerichtsrat fort, «ich spreche von mir, statt von Ihnen zu sprechen, eine üble Angewohnheit aller, die sehr einsam leben. Verzeihen Sie, sprechen wir noch ein Wort von der Gefahr. Ich bekam Drohbriefe, zehn Jahre, zwanzig Jahre, dreißig Jahre .
    Nun, Frau Rosenthal, hier sitze ich, ein alt gewordener Mann, und lese meinen Plutarch. Gefahr bedeutet nichts für mich, sie ängstigt mich nicht, sie beschäftigt nie mein Hirn
    oder Herz. Reden Sie nicht von Gefahren, Frau Rosenthal .»
    «Doch das sind andere Menschen heute», widersprach Frau Rosenthal.
    «Wenn ich Ihnen sage, daß diese Drohungen von Verbrechern und ihren Komplicen ausgingen? Nun also!» Er lächelte leicht. «Es sind keine anderen Menschen. Es sind ein bißchen mehr geworden, und die anderen sind ein bißchen feiger geworden, aber die Gerechtigkeit ist dieselbe geblieben, und ich hoffe, wir beide erleben noch ihren Sieg.» Einen Augenblick stand er da, grade aufgerichtet.
    Dann nahm er seine Wanderung wieder auf. Er sagte leise: «Und der Sieg der Gerechtigkeit wird nicht der Sieg dieses deutschen Volkes sein!»
    Er schwieg einen Augenblick, dann begann er wieder leichteren Tons: «Nein, Sie können nicht in Ihre Wohnung zurück. Die Persickes sind heute nacht dort gewesen, diese Parteileute über mir, wissen Sie. Die Wohnungsschlüssel sind in ihrem Besitz, sie werden Ihr Heim jetzt unter ständiger Beobachtung halten. Dort wären Sie wirklich völlig nutzlos in Gefahr.»
    «Aber ich muß dort sein, wenn mein Mann zurückkommt!» bat Frau Rosenthal flehend.
    «Ihr Mann», sagte der Kammergerichtsrat Fromm freundlich beruhigend, «Ihr Mann kann Sie vorläufig nicht besuchen. Er befindet sich zur Zeit im Untersuchungsgefängnis Moabit unter der Beschuldigung, mehrere Auslandsguthaben verheimlicht zu haben. Er ist also in Sicherheit, solange es gelingt, das Interesse der Staatsan-waltschaft und der Steuerbehörde an diesem Verfahren wachzuhalten.»
    Der alte Rat lächelte weise, er sah Frau Rosenthal ermutigend an und nahm dann seine Wanderung wieder auf.
    «Aber woher können Sie wissen?» rief Frau Rosenthal aus.
    Er machte eine beschwichtigende Handbewegung. Er sagte: «Ein alter Richter hört immer dies und das, auch wenn er nicht mehr im Amte ist. Es wird Sie auch interessieren, daß Ihr Mann einen tüchtigen Anwalt hat und verhältnismäßig anständig versorgt wird. Den Namen und die Adresse des Anwalts sage ich Ihnen nicht, er wünscht keine Besuche in dieser Sache ...»
    «Aber vielleicht kann ich meinen Mann in Moabit besuchen!» rief Frau Rosenthal aufgeregt aus. «Ich könnte ihm frische Wäsche bringen - wer sorgt denn dort für seine
    Wäsche? Und Toilettensachen und vielleicht etwas zu essen .»
    «Liebe Frau Rosenthal», sagte der Kammergerichtsrat a. D. und legte seine

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