Jeder stirbt für sich allein
besonders!»
«Man kann auch unmenschlich sein, Frau Kluge, und was Sie tun wollen, das ist unmenschlich. So kann der Mann nicht auf die Straße.»
«Und war das, was er mit mir all die Jahre getan hat, etwa menschlich? Er hat mich gequält, er hat mir mein ganzes Leben kaputtgemacht, schließlich hat er mir noch meinen Lieblingsjungen weggenommen - und zu so einem soll ich menschlich sein, bloß weil er Dresche von der SS bekommen hat? Ich denke gar nicht daran! Den ändern auch noch so viele Schläge nicht!»
Nach diesen heftig und böse ausgestoßenen Worten zog Frau Kluge der Gesch einfach die Tür vor der Nase zu und schnitt ihr so jedes weitere Wort ab. Sie war einfach nicht fähig, noch weiteres Gerede auszuhalten. Bloß um allem Gerede zu entgehen, hätte sie den Mann womöglich doch noch wieder in die Wohnung aufgenommen und es immer und ewig bereut!
Sie setzte sich auf einen Küchenstuhl, starrte in die bläuliche Gasflamme und dachte an diesen Tag zurück.
Seit sie dem Vorsteher des Amtes eröffnet hatte, sie wolle aus der Partei austreten und das sofort, hatte es viel Gerede gegeben. Er hatte sie zunächst von ihrem
Bestellgang befreit. Aber heute war sie vernommen worden. Gegen Mittag waren zwei Zivilisten mit Aktentaschen aufgetaucht und hatten sie befragt. Ihr ganzes Leben sollte sie erzählen, von den Eltern, den Geschwistern, ihrer Ehe ...
Erst war sie ganz bereitwillig gewesen, froh, dem endlosen Gefrage über die Gründe ihres Austritts zu entgehen.
Aber dann, schon als sie von ihrer Ehe berichten sollte, war sie wieder bockbeinig geworden. Nach der Ehe würden die Kinder drankommen und sie würde nicht von Karlemann erzählen können, ohne daß diese gewitzten Füchse merkten, daß da etwas nicht stimmte.
Nein, auch darüber sagte sie nichts aus. Ihre Ehe und ih-re Kinder gingen niemanden etwas an.
Aber diese Leute waren zähe. Sie wußten viele Wege.
Der eine griff in seine Aktentasche und fing an, in einem Aktenstück zu lesen. Sie hätte gerne gewußt, was er da las: Es konnte doch über sie nicht solch ein Aktenstück bei der Kriminalpolizei geben, denn daß diese Zivilisten irgendwas Polizeiliches waren, das hatte sie unterdes doch gemerkt.
Dann fingen sie wieder an zu fragen, und nun erwies es sich, daß in dem Aktenstück etwas über Enno stehen mußte. Denn nun wurde sie über seine Krankheiten, seine Arbeitsscheu, seine Wettleidenschaft und über seine Weiber ausgefragt. Es fing wieder ganz harmlos an, dann plötzlich sah sie die Gefahr, schloß fest den Mund und sagte nichts mehr. Nein, auch das war privat. Es ging keinen was an. Was sie mit ihrem Mann hatte, das war ihre Sache allein. Übrigens lebte sie getrennt von dem Manne.
Da war sie wieder erwischt. Seit wann sie getrennt von ihm lebe? Wann hatte sie ihn zum letzten Male gesehen?
Hing ihr Wunsch nach Austritt aus der Partei etwa mit dem Manne zusammen?
Sie schüttelte nur den Kopf. Aber sie dachte mit Schaudern daran, daß sie sich wahrscheinlich nun den Enno vornehmen würden, und aus dem schlappen Kerl würden sie in einer halben Stunde alles ausgequetscht haben!
Dann stand sie mit ihrer Schande, von der bisher sie allein wußte, vor allen nackt und bloß da.
«Privat! Rein privat!»
Die Briefträgerin, die in Gedanken verloren das Zittern und Beben des blauen Gasflämmchens beobachtet hat, fährt zusammen. Sie hat vorhin einen schweren Fehler begangen, sie brauchte dem Enno nur für ein paar Wochen
Geld zu geben und die Weisung, sich bei einer seiner Freundinnen zu verstecken.
Sie klingelt bei der Gesch. «Hören Sie, Frau Gesch, ich habe es mir noch mal überlegt, ich möchte wenigstens ein paar Worte mit meinem Manne sprechen!»
Jetzt, wo die andere ihr den Willen tut, wird die Gesch böse. «Das hätten Sie sich eher überlegen müssen. Jetzt ist Ihr Mann fort, schon gute zwanzig Minuten. Nun kommen Sie zu spät!»
«Wo ist er denn hin, Frau Gesch?»
«Wie soll ich das denn wissen? Wo Sie ihn rausgeschmissen haben! Bei eine von seinen Weibern wohl!»
«Wissen Sie nicht, zu welcher? Bitte, sagen Sie es doch, Frau Gesch! Es ist wirklich sehr wichtig ...»
«Auf einmal!» Und widerwillig setzt die Gesch hinzu:
«Er hat was von 'ner Tutti gesagt ...»
«Tutti?» fragt sie. «Das soll doch Trude, Gertrud bedeuten ... Wissen Sie den andern Namen nicht, Frau Gesch?»
«Er hat ihn ja selber nicht gewußt! Er hat nicht mal genau gewußt, wo sie wohnt, er hat bloß gedacht, er find't sie.
Aber bei dem
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