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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Zustand, in dem der Mann ist ...»
    «Vielleicht kommt er noch mal wieder», sagt Frau Kluge nachdenklich. «Dann schicken Sie ihn zu mir. Jedenfalls danke ich Ihnen schön, Frau Gesch. Guten Abend!»
    Aber die Gesch grüßt nicht zurück, sie knallt bei sich die Tür zu. Sie hat noch nicht vergessen, wie die andere ihr vorhin die Tür vor der Nase zugemacht hat. Das ist noch lange nicht raus, daß sie den Mann schickt, wenn er wirklich noch mal hier auftaucht. So 'ne Frau soll sich zur rechten Zeit besinnen, nachher ist es manchmal zu spät.
    Frau Kluge ist in ihre Küche zurückgekehrt. Es ist seltsam: obwohl doch das Gespräch eben mit der Gesch ohne Ergebnis geblieben ist, hat es sie erleichtert. Die Dinge müssen eben ihren Lauf nehmen. Sie hat getan, was sie tun konnte, sich sauberzuhalten. Sie hat sich vom Vater wie vom Sohne losgesagt, sie wird sie austilgen aus ihrem Herzen. Sie hat ihren Austritt aus der Partei erklärt. Nun geschieht, was geschehen muß. Sie kann das nicht ändern, auch das Schlimmste kann sie nicht mehr sehr schrecken nach dem, was sie durchgemacht hat.
    Es hat sie auch nicht sehr erschrecken können, als die beiden vernehmenden Zivilisten vom nutzlosen Fragen zum Drohen übergegangen sind. Sie wisse doch wohl, daß solch ein Austritt aus der Partei sie ihre Stellung bei der Post kosten könne? Und noch viel mehr: Wenn sie jetzt,
    unter Verweigerung von Gründen, aus der Partei austreten wolle, so sei sie politisch unzuverlässig, und für solche gebe es so etwas wie ein KZ! Sie habe doch wohl schon davon gehört? Da könne man politisch Unzuverlässige sehr rasch zuverlässig machen, fürs ganze Leben seien die zuverlässig. Sie verstehe doch!
    Frau Kluge hatte keine Angst bekommen. Sie ist dabei geblieben, daß privat privat bleibt, und über Privates redet sie nicht. Schließlich hat man sie gehen lassen. Nein, ihr Austritt aus der Partei ist vorläufig nicht angenommen, sie wird noch darüber hören. Aber vom Postdienst ist sie suspendiert. Sie hat sich aber in ihrer Wohnung zur Verfügung zu halten .
    Während Eva Kluge den solange vergessenen Suppentopf endlich auf die Gasflamme rückt, beschließt sie plötzlich, auch in diesem Punkte nicht zu gehorchen. Sie wird nicht ewig tatenlos in der Wohnung sitzen und auf die Quälereien der Herren warten. Nein, sie wird morgen früh mit dem Sechs-Uhr-Zug zu ihrer Schwester bei Ruppin fahren. Da kann sie zwei, drei Wochen unangemeldet leben, die füttern sie schon so durch. Die haben da Kuh und Schweine und Kartoffelland. Sie wird arbeiten, im Stall und auf dem Felde arbeiten. Das wird ihr guttun, besser als diese Briefträgerei für ewig: trabtrab!
    Ihre Bewegungen sind, seit dem Beschluß, aufs Land zu gehen, frischer geworden. Sie holt einen Handkoffer hervor
    und fängt an zu packen. Einen Augenblick überlegt sie, ob sie Frau Gesch wenigstens sagen soll, daß sie verreist ist, das Wohin braucht sie ihr ja nicht zu sagen. Aber sie beschließt: nein, sie will lieber nichts sagen. Alles, was sie nun tut, tut sie ganz für sich allein. Sie will keinen Menschen dareinziehen. Sie wird auch der Schwester und dem Schwager nichts sagen. Sie wird jetzt so allein leben wie noch nie. Immer war bisher jemand da, für den sie zu sorgen hatte: die Eltern, der Mann, die Kinder. Nun ist sie allein. Es scheint ihr im Augenblick sehr möglich, daß ihr dieses Alleinsein gut gefallen wird. Vielleicht wird, wenn sie ganz allein mit sich ist, noch etwas aus ihr, jetzt, wo sie endlich Zeit für sich selber hat, das eigene Ich nicht immer über all den andern vergessen muß.
    In dieser Nacht, die Frau Rosenthal mit ihrer Einsamkeit so ängstet, lächelt die Briefträgerin Kluge zum erstenmal wieder im Schlaf. Träumend sieht sie sich auf einem riesigen Kartoffelacker stehen, die Hacke in den Händen. So weit sie sieht, nur Kartoffelland, und sie dazwischen allein: Sie muß das Kartoffelland sauberhacken. Sie lächelt, sie hebt die Hacke, hell klingt ein getroffener Stein, ein Meldenstengel sinkt um, sie hackt weiter und weiter.
    Enno und Emil nach dem Schock
    Der kleine Enno Kluge hat es viel schlechter getroffen als sein «Kumpel» Emil Borkhausen, den nach den Erlebnissen dieser Nacht eine Frau, sie mochte sein, wie sie wollte, doch immerhin in ein Bett gepackt hatte, wenn sie ihn auch sofort danach bestahl. Der schwächliche Rennwetter hat auch viel mehr Schläge bekommen als der lange, knochige Gelegenheitsspitzel. Nein, dem Enno ist besonders übel

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