Jeder stirbt für sich allein
mitgespielt worden.
Und während er durch die Straßen läuft und angstvoll nach seiner Tutti sucht, ist der Borkhausen aus seinem Bett aufgestanden, hat sich in der Küche was zu essen gesucht und ißt sich finster und nachdenklich satt. Dann findet Borkhausen im Kleiderspind eine Schachtel Zigaretten, er brennt sich eine an, steckt die Schachtel in seine Tasche und sitzt wieder finster grübelnd am Tisch, den Kopf in der Hand.
So findet ihn seine Otti, als sie von ihren Besorgungen zurückkommt. Natürlich sieht sie gleich, daß er sich Essen genommen hat, sie weiß auch, er hat nichts zu rauchen in der Tasche gehabt, als sie ging, und sie entdeckt sofort
den Diebstahl aus ihrem Kleiderspind. Sofort bricht sie einen Streit vom Zaun, so verängstigt sie auch ist. «Jawohl, so was liebe ich, einen Kerl, der mir mein Essen frißt und mir meine Zigaretten klaut! Gleich gibst du mir sie wieder, auf der Stelle gibst du mir sie wieder! Oder du be-zahlst sie mir! Gib Geld her, Emil!»
Sie wartet gespannt, was er sagen wird, aber sie ist ihrer Sache ziemlich sicher. Die achtundvierzig Mark hat sie schon fast ganz ausgegeben, da kann er wirklich nicht mehr viel machen.
Und sie sieht aus seiner Antwort, so böse sie auch klingt, daß er von dem Gelde wirklich nichts weiß. Sie fühlt sich diesem doofen Kerl von einem Manne weit überlegen, sie hat ihn ausgenommen, und der Affe merkt es nicht mal!
«Halt die Schnauze!» grunzt Borkhausen nur, ohne den Kopf zu erheben. «Und mach, daß du aus der Stube kommst, oder ich schlage dir alle Knochen im Leibe entzwei!»
Sie ruft von der Küchentür her, einfach, weil sie immer das letzte Wort haben muß und weil sie sich ihm so überlegen fühlt (obwohl sie jetzt Angst vor ihm hat): «Sieh du lieber selbst, daß dir die SS deine Knochen nicht ganz zerschlägt! Weit biste nicht mehr davon ab!»
Damit geht sie in die Küche und läßt ihren Ärger über diese
Verbannung an den Gören aus.
Der Mann aber sitzt in der Stube und grübelt. Er weiß nur wenig von dem, was in der Nacht geschah, aber das wenige, das er weiß, das reicht ihm. Und er denkt daran, daß da oben die Wohnung der Rosenthal liegt, die jetzt wohl von den Persickes ausgeräumt ist, und er hätte sich nehmen können, noch und noch! Durch seine eigene Dußligkeit hat er das verbockt!
Nein, der Enno ist daran schuld gewesen, der Enno hat mit dem Schnaps angefangen, der Enno ist von allem Anfang an besoffen gewesen. Ohne den Enno hätte er jetzt einen Haufen Zeugs, Wäsche und Kleider; dunkel erinnert er sich auch an einen Radioapparat. Wenn er den Enno jetzt hier hätte, würde er ihm alle Knochen im Leibe zerschlagen, diesem feigen Schwächling, der ihm die ganze Sache vermasselt hat!
Aber einen Augenblick später zuckt Borkhausen schon wieder die Achseln. Wer ist denn schließlich dieser Enno?
'ne feige Wanze, die davon lebt, daß sie den Weibern Blut abzapft! Nein, wer richtig schuld ist, das ist dieser Baldur Persicke! Dieser Bengel, dieser Schuljunge von einem HJ-Führer hat von Anfang an vorgehabt, ihn reinzulegen!
Das war alles vorbereitet, um einen Schuldigen zu haben und sich selbst die Beute ungestraft aneignen zu können!
Das hat sich diese Giftschlange mit den funkelnden Brillengläsern fein ausgedacht! Ihn so reinzulegen, dieser verdammte Rotzjunge!
Borkhausen versteht es nicht so ganz, warum er nun eigentlich doch nicht in einer Zelle auf dem Alex, sondern in seiner Stube sitzt. Da muß denen was dazwischengekommen sein. Ganz dunkel erinnert er sich an zwei Gestalten, aber wer das war und wieso, das hat er damals schon in seiner halben Betäubung nicht erfaßt, und jetzt weiß er es erst recht nicht.
Aber das eine weiß er: dies verzeiht er dem Baldur Persicke nie. Der mag noch so sehr hochkriechen auf der Leiter der Parteigunst, der Borkhausen paßt auf. Der Borkhausen kann warten. Der Borkhausen vergißt nichts. So 'n Bengel - eines Tages wird er ihn doch rankriegen, und dann liegt der im Dreck! Aber er soll schlimmer drinlie-gen als der Borkhausen, und er soll nie wieder daraus aufstehen. Einen Kumpel verraten? Nein, das wird nie verziehen und vergessen! Die schönen Sachen in der Rosenthalschen Wohnung, Koffer und Kisten und Radio, das hätte er alles haben können!
Und weiter grübelt Borkhausen, immer dasselbe, und dazwischen holt er sich heimlich den silbernen Handspiegel der Otti, letzte Erinnerung an einen großzügigen Freier, und betrachtet und befühlt sein Gesicht.
Auch der
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