Jeder stirbt für sich allein
den Hof kommen. Sag dem Fahrer Bescheid, er soll in der Torfahrt aufpassen. Ich geh nur mal rasch in Ihre Wohnung telefonieren!»
Als der Herr Kommissar Rusch vom Telefonieren auf den Hof zurückkam, hatte sich die Lage dort ein wenig geändert. In den Fenstern des Hinterhauses lagen überall Gesichter, es standen auch ein paar Leute auf dem Hof -
aber ferne. Die Leiche war jetzt mit einem Laken zugedeckt, das etwas zu kurz war, die Beine der Frau Rosenthal sahen bis zu den Knien darunter hervor.
Der Herr Borkhausen aber sah etwas gelb im Gesicht aus und trug jetzt Handkettlein. Von der Hofseite her beobachteten ihn schweigend seine Frau und die fünf Kinder.
«Herr Kommissar, ich protestiere dagegen!» rief Borkhausen jetzt jämmerlich. «Ich habe das Armband bestimmt nicht in die Kellerluke geworfen. Der junge Herr Persicke hat einen Haß auf mich ...»
Es stellte sich heraus, daß Friedrich, von der Erledigung seiner Aufträge zurückgekehrt, sofort begonnen hatte, nach dem Armband zu suchen. Frau Rosenthal hatte es in der Küche doch noch in der Hand gehabt - grade um dieses Armbandes willen, das sie durchaus nicht loslassen wollte, war ja ein gewisser Ärger bei Friedrich entstanden.
Und in diesem Ärger hatte er nicht wie sonst aufgepaßt, und die Frau hatte ihm den Streich mit dem Fenster spielen können. Das Armband mußte also hier irgendwo auf dem Hof liegen.
Als der Friedrich so herumzusuchen anfing, hatte Borkhausen an der Hauswand gestanden. Plötzlich hatte Baldur Persicke etwas blitzen gesehen, und darauf hatte es in der Kellerluke geraschelt. Er hatte gleich nachgesehen, und - siehe! - da lag das Armband in der Luke!
«Ich hab's bestimmt nicht reingeworfen, Herr Kommissar!» beteuerte Borkhausen angstvoll. «Es muß von der Frau Rosenthal fortgefallen sein in das Kellerloch!»
«So!» sagte der Kommissar Rusch. «So ein Vogel bist du also! So ein Vogel arbeitet also für meinen Kollegen
Escherich! Das wird meinen Kollegen Escherich mächtig freuen, so was zu hören!»
Aber während der Kommissar so ganz friedlich vor sich hin schwätzte, ging sein Blick zwischen dem Borkhausen und Baldur Persicke hin und her, hin und her. Dann fuhr Rusch fort: «Na, ich denke, du wirst nichts dagegen haben, uns auf einem kleinen Spaziergang zu begleiten?
Oder?»
«Aber nein!» versicherte Borkhausen, zitterte dabei, und sein Gesicht wurde noch fahler. «Aber gerne komme ich mit! Mir liegt ja am meisten daran, daß alles richtig aufgeklärt wird, Herr Kommissar!»
«Na, dann ist's ja schön!» sagte der Kommissar trocken.
Und nach einem raschen Blick auf Persicke: «Friedrich, nimm dem Mann die Handfessel ab. Der kommt auch so mit. Oder?»
«Gewiß komme ich mit! Gewiß doch, gerne!» versicherte Borkhausen eifrig. «Ich lauf nicht weg. Und wenn auch
- Sie würden mich ja doch überall einfangen, Herr Kommissar!»
«Richtig!» sagte der wieder trocken. «So 'n Vogel wie dich fangen wir überall!» Er unterbrach sich. «Da ist ja auch
schon der Unfallwagen. Und die Polizei. Da wollen wir mal sehen, daß wir den Kram schnell hinter uns bringen. Ich habe heute früh noch mehr zu tun.»
Später, als sie dann «den Kram schnell hinter sich gebracht» hatten, stiegen der Kommissar Rusch und der junge Persicke noch einmal die Treppen zur Rosenthalschen Wohnung hinauf. «Bloß, um das Küchenfenster zu-zumachen!» hatte der Kommissar gesagt.
Auf der Treppe blieb der junge Persicke plötzlich stehen.
«Ist Ihnen nicht was aufgefallen, Herr Kommissar?» fragte er flüsternd.
«Mir ist Verschiedenes aufgefallen», erwiderte Kommissar Rusch. «Aber was ist denn dir zum Bleistift aufgefallen, mein Junge?»
«Fällt Ihnen nicht auf, wie still das Vorderhaus ist? Haben Sie nicht darauf geachtet, daß im Vorderhaus kein Kopf zum Fenster hinausgesehen hat, und im Hinterhaus haben sie doch überall geguckt! Das ist doch verdächtig.
Die müssen doch was gemerkt haben, die hier im Vorderhaus. Die wollen nur nichts gemerkt haben. Sie müßten jetzt eigentlich gleich Haussuchungen bei denen machen, Herr Kommissar!» «Und bei den Persickes würde ich damit anfangen», antwortete der Kommissar und stieg ruhig weiter treppauf.
«Bei denen hat nämlich auch keiner aus dem Fenster gesehen.»
Baldur lachte verlegen auf. «Meine Brüder von der SS», erklärte er dann, «die haben sich beide gestern abend so bildschön besoffen ...»
«Mein lieber Sohn», fuhr der Kommissar fort, als hätte er nichts gehört. «Was
Weitere Kostenlose Bücher