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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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sicher», fängt Baldur Persicke an, etwas beirrt durch diesen nachdenklichen, nicht von ihm ablassen-den Blick.
    «Fast sicher ist gar nichts, mein Junge», sagt der Kommissar verächtlich. «Fast sicher gibt es nicht!»
    «Ich bin ganz sicher!» sagt Baldur schnell. «Ich kann jederzeit beeiden, daß Frau Rosenthal seit Mittwoch nicht in ihrer Wohnung war!»
    «Schön, schön», sagt der Kommissar leichthin. «Sie wissen natürlich, daß Sie seit Mittwoch die Wohnung unmöglich allein unter Beobachtung gehalten haben können.
    So was nimmt Ihnen kein Richter ab.»
    «Ich habe zwei Brüder in der SS», sagt Baldur Persicke eifrig.
    «Na schön», gibt sich Kommissar Rusch zufrieden. «Es wird alles schon schiefgehen. Übrigens, was ich Ihnen noch sagen wollte, ich werde erst gegen Abend dazu kommen, hier Haussuchung zu halten. Vielleicht obser-vieren Sie die Wohnung solange weiter? Schlüssel haben Sie ja wohl?»
    Baldur Persicke versichert zufrieden, daß er das gerne tun würde. Seinen Augen war tiefe Freude anzusehen. Na also - so ging es auch, er wußte es ja, und ganz legal!
    «Es wäre ja ganz gut», sagt der Kommissar gelangweilt und sieht wieder aus dem Fenster, «wenn dann alles etwa so rumläge wie jetzt. Natürlich, für das, was in den Schränken und Koffern ist, können Sie nicht stehen, aber sonst .»
    Ehe Baldur noch antworten kann, ertönt aus dem Innern der Wohnung ein schriller, hoher Angstschrei.
    «Verdammt!» sagt der Kommissar, tut aber keinen Schritt.
    Bleich, mit spitzer Nase starrt ihn Baldur an, seine Knie sind weich geworden.
    Der Angstschrei ist sofort erstickt, man hört nur den Friedrich fluchen.
    «Was ich sagen wollte ...» fängt der Kommissar langsam wieder an.
    Er spricht aber, immerfort lauschend, nicht weiter.
    Plötzlich sehr lautes Schimpfen in der Küche, Getrappel, Hin-und Herstampfen. Nun brüllt Friedrich sehr laut:
    «Willste gleich! Willste woll!»
    Dann ein lauter Schrei. Noch wüsteres Fluchen. Nun wird eine Tür aufgerissen, Gestampf über den Flur, und ins Zimmer hinein brüllt Friedrich: «Was sagen Sie nun, Herr Kommissar? Grade hatte ich sie so weit, daß sie vernünftig reden konnte, springt das Aas mir doch aus dem Fenster!»
    Der Kommissar schlägt ihm wütend ins Gesicht: «Gottverdammter Trottel, ich reiß dir die Kaldaunen aus dem Leibe! Los, schnell!»
    Und er stürzt aus dem Zimmer, läuft die Treppen hinunter
    «Auf den Hof doch!» ruft Friedrich flehend, während er hinterdrein läuft. «Sie ist bloß auf den Hof gefallen, nicht auf die Straße! Es wird gar kein Aufsehen geben, Herr Kommissar!»
    Er bekommt keine Antwort. Alle drei laufen sie die Treppen hinunter, wobei sie sich bemühen, möglichst wenig Lärm in
    dem sonntagsstillen Haus zu machen. Als letzter läuft, mit einer halben Treppe Abstand, Baldur Persicke. Er hat nicht vergessen, die Wohnungstür der Rosenthals gut ins Schloß zu ziehen. Wenn ihm auch noch der Schreck in den Gliedern sitzt, weiß er doch, daß er jetzt die Verantwortung für alle die schönen Sachen dort hat. Da darf nichts fortkommen!
    Die drei laufen an der Wohnung der Quangels vorbei, an der von den Persickes, an der vom Kammergerichtsrat a. D. Fromm. Nur noch zwei halbe Treppen, und sie sind auf dem Hof.
    Otto Quangel war unterdes aufgestanden, hatte sich gewaschen und sah seiner Frau in der Küche zu, wie sie das Frühstück fertigmachte. Nach dem Frühstück würden sie miteinander sprechen, vorläufig hatten sie nur einen Guten-Morgen-Gruß gewechselt, aber einen freundlichen.
    Plötzlich schrecken sie beide zusammen. In der Küche über ihnen ist Geschrei, sie lauschen, eines das andere gespannt und besorgt ansehend. Dann wird für Sekundenschnelle das Küchenfenster verdunkelt, etwas Schweres scheint vorbeizustürzen - und nun hören sie es schwer aufschlagen auf dem Hof. Unten schreit jemand auf - ein Mann. Und Totenstille.
    Otto Quangel reißt das Küchenfenster auf, fährt aber zurück, als er Gepolter auf der Treppe hört.
    «Steck du mal schnell den Kopf raus, Anna!» sagt er.
    «Sieh, ob du was sehen kannst. Eine Frau fällt bei so was weniger auf.» Er faßt sie bei der Schulter und drückt sie sehr stark. «Schrei nicht!» sagt er befehlend. «Du sollst nicht schreien! So, mach das Fenster wieder zu!»
    «Gott, Otto!» ächzt Frau Quangel und starrt ihren Mann mit weißem Gesicht an. «Die Rosenthal ist aus dem Fenster gestürzt. Sie liegt unten auf dem Hof. Der Borkhausen steht bei ihr und .»
    «Still!»

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