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Jeder stirbt für sich allein

Jeder stirbt für sich allein

Titel: Jeder stirbt für sich allein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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sagt er. «Jetzt still! Wir wissen von nichts. Wir haben nichts gesehen und nichts gehört. Bring den Kaffee in die Stube!»
    Und drinnen noch einmal, mit Nachdruck: «Wir wissen nichts, Anna. Haben die Rosenthal fast nie gesehen. Und nun iß! Iß, sage ich dir. Und trink Kaffee! Wenn einer kommt, er darf uns nichts anmerken!»
    Der Kammergerichtsrat Fromm hatte noch immer auf seinem Beobachtungsposten gestanden. Er hatte zwei Zivilisten die Treppe hinaufgehen sehen, und nun stürmten drei Mann - und der Persicke-Junge dabei - die Treppe hinunter. Es hatte also etwas gegeben, und schon brachte ihm seine Bedienerin aus der Küche die Nachricht, daß
    eben Frau Rosenthal von oben auf den Hof gestürzt sei. Er starrte sie erschrocken an ...
    Einen Augenblick stand er ganz still. Dann nickte er langsam ein paarmal.
    «Ja, Liese», sagte er. «Das ist nicht anders. Man muß nicht nur retten wollen. Der andere muß auch mit der Rettung richtig einverstanden sein.» Und dann rasch: «Ist das Küchenfenster wieder zu?» Liese nickte. «Schnell, Liese, bring das Zimmer vom gnädigen Fräulein wieder in Ordnung; niemand darf sehen, daß es benutzt war. Geschirr weg! Wäsche weg!»
    Wieder nickte Liese.
    Dann fragte sie: «Und das Geld und der Schmuck auf dem Tisch, Herr Rat?»
    Einen Augenblick stand er beinahe hilflos da, kläglich sah er aus mit dem ratlosen Lächeln auf dem Gesicht. «Ja, Liese», sagte er dann. «Damit wird's schwer werden. Erben werden sich wohl keine melden. Und für uns ist's nur eine Last .»
    «Ich tu's in den Mülleimer», schlug Liese vor.
    Er schüttelte den Kopf. «Für Mülleimer sind die zu schlau, Liese», sagte er dann. «Das können die ja gerade, im Müll rumwühlen! Na, ich werde schon sehen, wo ich damit erst
    einmal bleibe. Mach bloß schnell schnell mit dem Zimmer! Die können jede Minute kommen!»
    Vorläufig standen sie noch auf dem Hof, der Borkhausen bei ihnen.
    Der Borkhausen hatte den Schreck zuerst abgekriegt, und am stärksten. Er war da seit dem frühen Morgen auf dem Hof herumgestrichen, gequält von seinem Haß auf die Persickes und seiner Gier nach den entschwundenen Sachen. Er wollte doch wenigstens wissen - und so beobachtete er ständig das Treppenhaus, die Fenster vorne .
    Plötzlich war da etwas ganz dicht bei ihm niederge-stürzt, so nah und aus großer Höhe, es hatte ihn gestreift.
    Der Schrecken war ihm derart in die Glieder gefahren, daß er sich gegen die Hofwand lehnte, und gleich darauf mußte er sich auf die Erde setzen, es wurde ihm schwarz vor den Augen.
    Dann war er wieder hochgefahren, denn plötzlich hatte er gemerkt, daß er neben Frau Rosenthal auf dem Hofe saß. Gott, da hatte sich also die alte Frau aus dem Fenster gestürzt, und wer daran schuld war, das wußte er auch.
    Borkhausen sah gleich, daß die Frau tot war. Ein bißchen Blut war aus ihrem Mund gelaufen, aber das verunstaltete sie kaum. Auf dem Gesicht lag ein solcher Ausdruck von tiefem Frieden, daß der erbärmliche kleine Spitzel wegsehen mußte. Dabei fiel sein Blick auf ihre Hände, und er sah, daß sie in der einen Hand etwas hielt, ein Schmuckstück, dessen Steine leuchteten.
    Borkhausen warf einen argwöhnischen Blick um sich.
    Wenn er etwas tun wollte, mußte es schnell geschehen. Er bückte sich, von der Toten abgewandt, so daß er ihr nicht ins Gesicht sehen mußte, zog er ihr das Saphirarmband aus der Hand und ließ es in seiner Hosentasche verschwinden. Wieder sah er argwöhnisch um sich. Ihm war, als würde bei den Quangels das Küchenfenster vorsichtig geschlossen.
    Und da kamen sie schon über den Hof gelaufen, drei Mann, und wer die zwei anderen waren, das sah er auch gleich. Nun kam es darauf an, daß er sich von Anfang an richtig benahm.
    «Da hat sich eben die Frau Rosenthal aus dem Fenster gestürzt, Herr Kommissar», sagte er, als melde er ein ganz alltägliches Ereignis. «Beinahe wäre mir die Frau auf den Kopf gefallen.»
    «Woher kennen Sie mich denn?» fragte der Kommissar beiläufig, während er sich mit dem Friedrich über die Tote beugte.
    «Ich kenn Sie nicht, Herr Kommissar», sagte Borkhausen. «Ich hab's mir bloß gedacht. Weil ich nämlich manchmal was für den Herrn Kommissar Escherich arbeiten darf.»
    «So!» sagte der Kommissar nur. «So. Dann bleiben Sie hier noch mal ein bißchen stehen. Sie, junger Mann», wandte er sich zu Persicke, «passen Sie mal ein bißchen auf, daß uns dieser Junge nicht verlorengeht. Friedrich, sorg dafür, daß keine Leute auf

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