jennissimo (German Edition)
einer Stunde parkte sie vor dem Healing Center, in dem Ellington arbeitete. Sie ging hinein und nannte der Empfangsdame ihren Namen.
Die junge Frau sah auf. „Sie sind Serenitys Tochter?“, fragte sie mit leicht zittriger Stimme.
Jenna nickte.
„Wir haben es gerade erfahren. Es tut mir so leid. Ich habe Ihre Mom wirklich sehr gemocht. Sie war ein ganz besonderer Mensch.“
Jenna machte sie nicht darauf aufmerksam, dass Serenity nicht ihre Mom war. Irgendwann in den letzten Wochen hatte sich das verändert. Inzwischen hatte sie gelernt, dass man zwei Mütter haben konnte. Selbst wenn eine von ihnen gerade gestorben war.
„Ich hole Ellington“, sagte das Mädchen, schnappte sich ein Taschentuch und ging nach hinten.
Wenige Minuten später kam Ellington in den Wartebereich. Ohne etwas zu sagen, nahm er ihre Hand und zog sie durch den Flur auf eine kleine Terrasse vor seinem Büro. Dort, im gefleckten Sonnenlicht, berührte er ihre Wange.
„Geht es einigermaßen?“, fragte er.
„Ich bin wütend.“
„Auf mich.“
„Zum Teil.“ Mit verschränkten Armen drehte sie ihm den Rücken zu. „Aber nicht nur auf dich“, sagte sie dumpf. „Alle haben es gewusst. Tom und Dragon und Wolf und Jasmine. Sie alle wussten es, und keiner hat etwas gesagt.“
„Sie hat sie darum gebeten.“
„Trotzdem könnte man doch annehmen, dass wenigstens einer von ihnen mich auf die Seite nimmt und eine Andeutung macht.“ Sie wirbelte zu ihm herum. „Nun, du hast Andeutungen gemacht.“
„Nein.“
„Doch. Jetzt fällt es mir wieder ein. Aber damals habe ich es nicht kapiert. Weil ich mit so was nicht gerechnet habe.“
Sie ging zum anderen Ende der Terrasse. „Immer und immer wieder habe ich gefragt: Wieso jetzt? Warum hat sie diesen Moment gewählt, um mit mir in Kontakt zu treten? Jetzt weiß ich es. Sie wollte mich sehen, bevor sie stirbt. Was ich verstehen kann. Sie hat gesagt, dass ich ihr immer wichtig war. Sie hat meinen Brüdern von mir erzählt und immer meinen Geburtstag gefeiert, aber sich nie die Mühe gemacht, einfach mal den Telefonhörer in die Hand zu nehmen. Wie soll ich ihr das nur glauben? Sie sagte, sie hätte darauf gewartet, dass ich mich melde. Also ist das alles mein Fehler?“
Ellington antwortete nicht. Aber schließlich besaß auch er nicht wie durch ein Wunder die Antworten auf all ihre Fragen.
„Wenn sie mich kennenlernen wollte, warum hat sie dann so lange gewartet? Sie hätte schon vor Jahren Kontakt mit meinen Eltern aufnehmen können. Oder mit mir. Es ist wirklich nicht schwer, mich zu finden.“
„Das Leben verläuft für jeden anders“, sagte er leise. „Ich weiß nicht, was Serenity veranlasst hat, so zu handeln. Schuld vielleicht. Vielleicht dachte sie, sie hätte es nicht verdient, dich zu kennen – nicht nachdem sie dich weggegeben hat.“
Nicht verdient? „Das ist verrückt. Sie war noch ein Kind, alssie schwanger wurde! Und sie hat mich warmen, liebenden Eltern gegeben. Ich bedaure überhaupt nichts.“
„Aber du bist auch nicht diejenige, die ihr Kind weggegeben hat. Serenity hat dich von ganzen Herzen geliebt. Und hat immer mehr gegeben als genommen. Vielleicht konnte sie einfach nicht ertragen, was sie getan hat. Und vielleicht ging es weniger um dich als um sie.“
„Das werden wir nun nie erfahren“, sagte sie. Ihr war speiübel. „Mir gefällt das alles nicht. Wenn ich es vorher gewusst hätte, hätte ich ihr andere Fragen gestellt. Ich hätte nach der Wahrheit gefragt.“
„Wenn sie gewollt hätte, dass du sie erfährst, hätte sie sie dir erzählt.“
Sie starrte ihn an. „Und das soll also reichen? Das soll ich glauben?“
„Du hast keine Wahl.“
Sie schüttelte den Kopf. „Ich kann das nicht akzeptieren.“
„Es nicht zu akzeptieren ändert aber nichts daran.“
„Red nicht wie ein verdammter Guru mit mir, Ellington! Du hattest immerhin deine Zunge in meinem Mund.“
Er schenkte ihr ein Lächeln. „Das relativiert einiges.“
Einen Moment lang fühlte sie sich nicht mehr ganz so schrecklich; die Wut verblasste und machte Platz für die Traurigkeit.
„Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll. Soll ich mit meiner neuen Familie in Kontakt bleiben? Oder nicht?“
„Das musst du nicht heute entscheiden.“
„Es macht mich verrückt, dass sie einfach so gestorben ist! Dass sie nicht offen zu mir war.“
„Hättest du sie lieber nicht kennengelernt?“
Eine einfache Frage, überlegte sie, während sie über eine Antwort nachdachte.
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