Jenny und der neue Vater
sicher, dass sich früher oder später alles wieder einrenken wird“, sagte er etwas lahm, weil ihm keine rechten Trostworte einfallen wollten.
Aber Jenny schüttelte jetzt wild den Kopf. „Wenn Papa immer weiter so – so komisch ist, und wir weiter bei Oma bleiben müssen, dann kann gar nichts gut werden. Dann lacht Mama gar nicht mehr mit mir, und dann macht auch alles keinen Spaß mehr.“
Irgendwo in Björn meldete sich in diesem Augenblick eine kleine, hartnäckige Stimme, die hoffnungsfroh verkündete, dass er hier doch eine einmalige Chance hätte, vorsichtig und behutsam um Kirsten zu werben. Doch er verscheuchte die Hoffnung gleich wieder. Schließlich war es gut möglich, dass die Frau zu ihrem Mann zurückkehrte, schon um des Kindes willen.
Aber Jenny machte ganz und gar nicht den Eindruck, als würde sie sehr an ihrem Vater hängen. Eine Idee drängte sich in seine Gedanken, aber noch schob er sie beiseite.
„Ich würde es schön finden, wenn deine Mutter mal wieder käme“, sagte er dann, und Jenny nickte zufrieden. „Ja, ich auch, sie war richtig fröhlich, als sie hier gewesen ist.“
Das Mädchen wirkte plötzlich viel ruhiger, und Björn fragte sich, was er gerade gesagt oder getan hatte, um dem Kind neuen Mut zu geben.
*
Kirsten war auf der Suche nach einer Wohnung. Auf Dauer wollte sie ihrer Mutter nicht zur Last fallen, und sie spürte auch die unterschwelligen Spannungen zwischen ihrer Tochter und ihrer Mutter. Dazu kam, dass sie die Rede der alten Dame nun wirklich selbst nicht mehr hören konnte, dass sie sich mit Alex versöhnen und nachgeben sollte. Das wollte sie nicht, viel zu lange hatte sie geschwiegen und zugelassen, dass ihr Mann sich immer mehr in seine Eifersucht hineinsteigerte. Jetzt endlich wollte sie ihr eigenes Leben führen, nicht mehr abhängig sein von der Güte und den Launen ihres Mannes, und auch ihrer Tochter endlich eine mehr unbeschwerte Kindheit ermöglichen. Kirsten hatte längst bemerkt, wie sehr Jenny darunter litt, dass Ihr Vater sich so verändert hatte.
Dabei hatte alles so schön angefangen.
Sie und Alex hatten sich während des Studiums kennengelernt. Alex studierte Architektur, und seine Entwürfe waren schon in den Anfangsphasen für kühn und außergewöhnlich gehalten worden. Man sagte ihm eine große Zukunft voraus. Kirsten hingegen hatte Deutsch und Philosophie studiert und überlegt Lehrerin zu werden. Doch dann war alles ganz anders gekommen. Obwohl es nicht so geplant war, wurde sie schwanger, und Alex fragte sie stolz und glücklich, ob sie seine Frau werden wollte. Kirsten hatte gezögert. Für eine Familie würde sie ihr Studium aufgeben müssen, denn Alex bestand darauf, dass das Kind seine Mutter brauchte. Eigentlich hätte es ihr damals schon auffallen müssen, mit welcher Bestimmtheit Alexander ihr Leben plante, und wie er sie systematisch von allem isolierte, selbst von ihren Freunden. Aber sie war dumm genug gewesen, zu glauben, dass die Liebe solche Schranken überwinden konnte.
Im Laufe der Jahre hatte sich dann aber gezeigt, dass die Eifersucht bei Alex krankhafte Züge annahm. Das ging so weit, dass Kirsten Rechenschaft über jede Minute des Tages ablegen sollte. Und kam es wirklich vor, dass sie gemeinsam Essen gingen oder zu einer Veranstaltung, dann kamen anschließend unweigerlich Vorwürfe, sie hätte mit anderen Männern geflirtet, was völlig absurd war.
Alex war mittlerweile in seinem Beruf sehr erfolgreich, seine Entwürfe waren gefragt und begehrt, doch in seinem Innern war er krank vor Eifersucht, dass jemand ihm etwas nehmen könnte, das er für sich beanspruchte. Doch kein Mensch gehörte einem anderen, und so hatte Kirsten vorsichtig angefangen, die Fesseln ihres Mannes zu lösen. Sie hatte Freunde gesucht und gefunden, war ausgegangen und hatte das Leben neu entdeckt.
Aber Alex hatte das auf Dauer nicht zugelassen. Systematisch war er daran gegangen die zarten Bande, die seine Frau zu anderen Menschen geknüpft hatte, wieder zerstören. Und schließlich war es zuviel gewesen. Kirsten hatte es nicht mehr ausgehalten, so konnte sie nicht leben, und so wollte sie auch ihrer Tochter kein Leben bieten. Also war die logische Konsequenz gewesen zu gehen, eine Tatsache, die ihre Mutter gar nicht verstehen konnte. Schließlich hatte sie doch ein gutes Leben geführt, hatte nicht um jeden Pfennig kämpfen müssen und brauchte sich nur um ihre Tochter zu kümmern, die im Übrigen viel zu verwöhnt war.
Auch
Weitere Kostenlose Bücher