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Jenseits aller Tabus

Jenseits aller Tabus

Titel: Jenseits aller Tabus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Henke
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hinunter zu ihrem Büro ging, ungeniert auf den Hintern. Wieder einmal seufzte er innerlich.
    Einen solchen Prachthintern bekam man selten zu sehen, geschweige denn, dass man ihm zum Anfassen nahe kam. Aber bei diesem Exemplar würde er sich auf das Betrachten beschränken müssen. „Wenn dieses Weib nicht so stur wäre!“, dachte er, während er an seinem Kaffee nippte. Xavier Ledoux war von schönen Frauen umgeben. Und beinahe alle hatte er sie gehabt. Konnte er eine nicht auf seiner Habenseite verbuchen, dann wurde er irgendwann für seinen harten Arbeitseinsatz belohnt. Nur diese Frau, mit dem unschuldigsten und aufreizendsten Hüftschwung in der Geschichte der Pariser Frauen, machte ihm einen Strich durch die Rechnung und verhagelte ihm die Bilanz.
    Coco Mirabeau. Allein der Name war schon Musik in seinen Ohren. Ihre Anwesenheit verschönerte ihre Umgebung augenblicklich, und ihr Wesen verzauberte selbst den härtesten Verhandlungspartner. Diesen Umstand ihres Wesens verbuchte Xavier auf ihrer Habenseite. Auf ihrer Sollseite sah das Ganze dann schon anders aus.
    Denn in Bezug auf ihn war diese Frau fürchterlich zickig. Alles hatte er bei ihr schon versucht. Meist mit einem spitzbübischen Lächeln um die Lippen, damit sie ihm im Falle eines Falles nicht böse wäre und ihn gar vollends zum Teufel schicken würde. Auf seinen Charme reagierte sie nicht. Weder allergisch, noch abweisend, noch sonst etwas. Sie nahm ihn einfach nicht wahr. Woran das lag, ahnte er, aber akzeptieren wollte und konnte er es nicht. Coco war so besonders in ihrer Art, dass es ihm schwerfiel, sie nicht zu wollen.
    Sie mochte öffentliche Auftritte nicht, fand, dass sie kaum Talent für Verhandlungen mit Künstlern und Geldgebern besaß, und im Übrigen musste ja jemand da sein, der hinter Xavier herräumte, wenn dieser einen seiner Erfolge feierte. Da konnte man zwei Stars in der Manege nicht gebrauchen, pflegte sie mit einem Lächeln auf den Lippen zu sagen.
    Und weil sie sich um die Galerie kümmerte, übergab Xavier ihr auch seine privaten Angelegenheiten. Nicht freiwillig oder gar bewusst. Nein, Coco hatte sich in sein Leben geschlichen und verhinderte so größere Katastrophen, die durch Xaviers Nachlässigkeiten hätten verursacht werden können.
    Coco und Xavier waren wie Yin und Yang, wie Licht und Schatten, wie Weiß und Schwarz. Durchaus als Individuen lebensfähig, aber perfekt erst als Zweiergespann. Vor allem aber hielt Xavier es für unnötig, sich mit dem Leben an sich zu beschäftigen. Er hatte höhere Ziele, flog wie ein Luftballon, und Coco hielt die Leine, die ihn am Wegfliegen hindern sollte, fest in ihren Händen.
    Sein Leben war die Kunst. Die moderne Kunst, um genau zu sein. Um alles andere kümmerte er sich nicht, konnte er auch nicht, da ihm für diese einfachen Tätigkeiten der Sinn fehlte. Dass er Coco gefunden hatte, diese hübsche, schlaue und äußerst eloquente Kunsthistorikerin, und dass diese Frau auch noch eine freundschaftliche und fürsorgliche Affinität für ihn entwickelt hatte, war ein Glücksfall, wie er sonst nur in Seifenopern vorkam. Es gab nur einen Punkt, in welchem sie so hart wie der Stahl im Centre Pompidou war.
    Sobald Xavier versuchte, sich ihr auf andere Art als der des zu versorgenden kleinen Bruders zu nähern, wurde sie eiskalt, und ihre grünen Augen funkelten ihn wütend an. Keine Chance, bei ihr zu landen, sie zu irgendetwas zu überreden. In den ersten Jahren ihrer Zusammenarbeit hatte Xavier die vermeintliche eine oder andere Chance zu nutzen versucht. Immer mit dem gleichen Ergebnis: Aus Coco, dem sanften Engel, wurde eine Furie vor dem Herrn. Mit Händen und Füßen, meist jedoch mit Worten, kämpfte sie darum, dass die Strukturen ihres Lebens in den Bahnen liefen, die sie geschaffen hatte. Und Xavier in ihrem Bett oder gar mehr hätte einen Umweg bedeutet, der zu viele gefährliche Kurven beinhaltete. Um seines Seelenfriedens willen – und um ernsthaften körperlichen Verletzungen aus dem Weg zu gehen oder gar der Gefahr, sie zu verlieren – hatte er es aufgegeben, sich andere Frauen gesucht und vergnügt. Nichts Ernstes, wie er zu betonen pflegte, aber er wäre schließlich auch nur ein Mann.
    Doch im Stillen hatte er sich ihr verschworen. Seiner Coco. Sie teilte seine Leidenschaft für die Kunst. Aber war er dabei derjenige, der seiner Leidenschaft die Gelegenheit gab, über sein Leben zu bestimmen, war Coco die stille Genießerin. Es machte sie glücklich, einen alten

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