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Jenseits aller Vernunft

Jenseits aller Vernunft

Titel: Jenseits aller Vernunft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Brown
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Knopfaugen streiften über das Ufer von Arkansas. Der Fährmann war froh, dass dieser Stromer nichts von ihm wollte. Aber der Mann mit dem Schnurrbart würde die Frau bestimmt nicht so einfach herausrücken.
    »Er schien echt fies zu sein, hatte so ’n umherschweifenden Blick, Ihr wisst schon, einer, dem nix entgeht. Der zog den Colt schnell wie der Blitz, als er dachte, seiner Frau war’ was passiert. War so ’ne dunkle, verschlossene Nummer. Mit dem würd’ ich mich nich’ gern anlegen woll’n.«
    Der mögliche Kunde hörte genau zu und starrte weiter ans andere Ufer.
    »Mit seinen Pferden kannte er sich auch besonders gut aus, kleine Handbewegung, schon waren sie auf Zack. Wirklich unheimlich, wie die ihm gefolgt sind. Und ’ne Frau mit so viel Angst vorm Flu ss hab’ ich auch noch nie geseh’n.«
    Hämisch meinte der andere: »So so, vor dem Flu ss hatte sie also Angst, wie?« Bei seinem Gewieher überlief den Fährmann eine Gänsehaut. »Aber die gehört nicht dem, sondern mir.«
    »Es könnt nich’ einfach werd’n, den davon zu überzeugen. Ich würd’ se lieber dem lassen, als es mit dem Burschen aufzunehmen.«
    »Aber ich bin ja nich’ Ihr, oder?«
    Der Fährmann schrak vor dem manischen Blick in den Augen des anderen zurück. »Also, wollt Ihr übersetzen?« fragte er nervös.
    »Morgen. Erst muss ich noch ’n paar Vorräte kaufen.« Er drehte sich noch mal um. »’ne Ahnung, wohin sie wollten?«
    »Ich hab’ nur was von Texas gehört.«
    Der Mann nickte, grinste und marschierte mit einem vergnügten Pfeifen zwischen den tabakvergilbten Zähnen zu Fuß zurück nach Memphis.
    »Morgen, Mrs. Coleman.« Winston Hill tippte sich an den Hut, als er vor der Frau auf dem Kutschbock erschien. Sie hatte wirklich eine gute Haltung und ein hübsches Profil. Aber vor allem schätzte er an ihr, dass sie sich ihres reizenden Äußeren wohl nicht bewu ss t war.
    »Guten Morgen, Mr. Hill.«
    »Wann wollt Ihr mich endlich Winston nennen?«
    »Wenn Ihr Lydia zu mir sagt.«
    »Glaubt Ihr, das würde Eurem Mann gefallen?«
    Lydia seufzte und hob und senkte dabei langsam die Schultern. Ihrem Mann gefiel nur sehr wenig an ihr, da würde es auf eine wirkliche oder von ihm unterstellte Sünde auch nicht weiter ankommen. Außerdem war sie es leid, sich seinetwegen immer ungesellig zu verhalten.
    »Wenn ich es Euch erlaube, kann Ross es nicht ändern«, sagte sie trotzig und warf dem jungen Mann ein Lächeln zu. Ohne es zu wollen wirkte sie kokett, und Winstons Herz machte einen Satz angesichts ihres strahlenden Lächelns.
    Er hielt mit einer Hand die Zügel und griff mit der anderen in seine Satteltasche. »Ich habe Euch etwas mitgebracht.«
    »Für mich?« fragte Lydia erfreut.
    »Ihr habt mich bei unserer letzten Begegnung auf das Buch angesprochen, das ich las.«
    Ross war wütend gewesen, als er ein paar Minuten später dazu stie ß . Er hätte Lydia beinahe zu ihrem Wagen zurückgezerrt vor Ärger. Manchmal wünschte sie, er würde schreien oder sonst etwas tun, damit er nicht immer wirkte wie ein Kessel, dem gleich der Deckel davonfliegen wollte.
    Winston hatte das Buch hervorgeholt, richtete sich in den Steigbügeln auf und legte es neben sie auf die Bank. »Ich möchte es Euch leihen. Ihr könnt es behalten, so lange es Euch gefällt.«
    Sie wurde rot, war gleichzeitig beschämt und dankbar. »Mr.... Hill... Winston«, stotterte sie. »Ich habe wirklich Euer Buch bewundert. Aber ich könnte... es gar nicht... lesen.«
    Er schwieg einen Augenblick lang und starrte ihre abgewandte Gestalt an. Was für ein unverzeihlicher Irrtum von ihm. Doch sie hatte das Buch mit so sehnsüchtigen Blicken betrachtet, dass er sicher gewesen war, sie hätte nur keinen Lesestoff. Dass sie damit nichts anfangen konnte, wäre ihm niemals in den Sinn gekommen.
    «Vergebt mir, Lydia, ich wollte Euch nicht zu nahe treten. Ich dachte, Ihr könnt lesen.«
    »Früher konnte ich es auch einmal«, sagte sie verlegen. »Mama hat mich lesen gelehrt, bis Papa starb und...« Ihre Stimme versank in traurigen Erinnerungen. »Danach war ich nie wieder in der Schule. Ich kann die Buchstaben noch erkennen und vielleicht auch ein bisschen zusammenfügen, ich weiß es nicht. Schon seit... langem habe ich kein Buch mehr gesehen.«
    Winstons Blick erhellte sich beträchtlich. Er wollte gerade etwas sagen, da wurde er von einem trockenen Husten geschüttelt. Der Anfall dauerte eine Weile lang, ehe er das Gespräch wiederaufnehmen konnte: »Ich bin

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