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Jenseits der Finsternis

Jenseits der Finsternis

Titel: Jenseits der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Nagula
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kommen auf einen Mann vier Frauen. Von einer solchen Situation hätte früher sicher jeder geträumt. Ich wage sie mir nicht einmal auszumalen.
    17. 7. 2047. Die Kuppeln werden zunehmend porös. Länger als zwei, drei Jahre können sie nicht mehr halten. Unser Exodus ist in vollem Gang. Wir dürfen nicht an das Los der Zurückbleibenden denken. Das Schicksal der Menschheit muß Vorrang haben.
    Niemann blieb wie gelähmt liegen. Das also war es! Die herrschenden Cliquen wollten sich vor dem Untergang der Erde retten, in der Raumstadt überleben, während hier unten die Kuppeln eine nach der anderen zusammenbrachen. Darum der Kampf um jedes Kilo Kupfer! Darum die lügenhaften Versprechungen und die falschen Parolen! Für den Bruchteil einer Sekunde spürte Niemann den Drang aufzuspringen, den Mitbewohnern der Kabine die Wahrheit ins Gesicht zu schreien, aber dann blieb er liegen, grübelte vor sich hin, zerriß Seltacks Aufzeichnungen in kleine Fetzen.
    Ein paar Tage später kam aus der Raumstadt die Anweisung, er solle seine Tätigkeit in der Verbindungsstelle Erde beenden. Er sei als Spezialist für Transportfragen unersetzlich und könne seine Tätigkeit von der Raumstadt N.O.A.H. aus erfolgreicher weiterführen. Seine Zustimmung setze man voraus. Seine irdischen Angelegenheiten möge er so schnell wie möglich ordnen.
     
    Niemann blieb ganz ruhig, als er den Funkspruch gelesen hatte. Er legte die Folie auf den Schreibtisch und wandte sich zu Mi Morton, die vor der kahlen Wand stand und mit einem Ausdruck des Ekels auf ihre zerkratzten Arme starrte.
    »Wissen Sie eigentlich«, sagte Niemann und zerknüllte die Folie, »daß es einen Mann namens NOAH wirklich gegeben hat?«
    »Nein«, sagte Mi Morton.
    »Der hatte erfahren, daß eine Katastrophe über die Erde hereinbrechen würde, eine große Flut. Da hat er sich eine Arche gebaut, eine Art Schiff, und sich und die Seinen und alle möglichen Tiere gerettet.«
    »Ein Verrückter«, sagte Mi Morton. Sie kratzte sich wütend und schimpfte: »Ich halte dieses Jucken nicht mehr aus. Die Salben helfen überhaupt nicht mehr.«
    Niemann spürte Mitleid mit der jungen Frau, aber er fand keinen Weg zu ihr, brachte die Wahrheit nicht über die Lippen.
    »Bestellen Sie mir einen Wagen«, bat er sie, »ich muß noch zu einer Halde.«
    Später fuhr er durch die überfüllten, stickigen Straßen zur Schleuse, durch die Schleusenkammer und hinaus in die tödliche Freiheit. Ziellos steuerte er den Wagen durch die verwüstete Landschaft. Irgendwo verließ er die Straße und fuhr querfeldein über den nackten, trockenen Boden, bis der Elektrowagen in einer Erdspalte steckenblieb.
    Niemann versuchte, einen Abschiedsbrief zu schreiben, aber dann wurde er sich der Lächerlichkeit dieser Geste bewußt. An wen sollte er schreiben? Achtlos schob er das Kunstpapier beiseite, auf das er einen einzigen Satz geschrieben hatte: »Ich sehe überall nur noch Verwüstung, außen und innen.«
    Er stülpte sich die Schutzmaske über den Kopf und zwängte sich aus dem Wagen. Er lief einfach los, auf den Horizont zu, wo der blaue, wolkenlose Himmel und die Erde sich berührten. Manchmal tauchten Bilder aus der Raumstadt vor ihm auf: das lächelnde Gesicht der Hosteß, das Paar, das sich in dem kleinen Park selbstvergessen umarmt hatte und der geheimnisvoll schimmernde künstliche Himmel.
    Niemann ging schnell. Die Gläser seiner Schutzmaske beschlugen sich, färbten sich dunkel im hellen Sonnenlicht. Gefaßt schob Niemann die Maske nach oben. Dann nahm er die Schachtel mit den weißen Ampullen und warf sie weg, so weit er konnte.
     

 
K ARL M ICHAEL A RMER   It’s all over now, Baby Blue
     
    Der Wind fegte durch die Straßen, klirrte mit zerbrochenen Fensterscheiben, wehte Schneevorhänge von den Dächern. Eiskristalle bissen wie Feuernadeln ins Gesicht, die Kälte raubte den Atem.
    Blue zog seinen alten Parka enger um die Schultern und kauerte sich in den Windschatten eines Straßenbahnwracks, das mitten auf der Kreuzung vor sich hin rostete. Lose Platten in dem Blechleichnam klapperten und kreischten.
    Das kribbelnde Gefühl, von kalten Augen aus dem Innern der Straßenbahn beobachtet zu werden, trieb Blue weiter. Er hastete durch die leeren Straßen, kämpfte sich durch den Schnee, der die Stadt langsam zudeckte, Flocke für Flocke, sanft und endgültig.
    Keuchend blieb er schließlich stehen und sah sich um. Das trübe Winterlicht verblaßte langsam; die Dämmerung senkte sich auf die

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