Jenseits Der Unschuld
lässig eleganten Leinenjacketts. Und keiner der Herren sah so blendend aus wie ihr Begleiter.
Es erschien Sofie wie ein Märchen, im berühmten Delmonico's mit dem schönsten Mann New Yorks zu sitzen.
Und doch war es so. Ebenso märchenhaft erschienen ihr die Ereignisse dieses Tages. Edward hatte darauf bestanden, ihre Bilder zu sehen, und sie hatten ihm nicht nur gefallen, er hielt sie sogar für begabt - das hatte er jedenfalls behauptet.
Später hatte er sie geküsst so wie er Hilary geküsst hatte, in wilder, entfesselter Leidenschaft. Er hatte sie mit offenem Mund geküsst, so wie sie es sich heimlich erträumt hatte, und der Kuss hatte ihr Wonnen bereitet, die sie nicht einmal im Traum für möglich gehalten hätte.
Er war ein Herzensbrecher, daran gab es keinen Zweifel. Er wollte sie verführen. Und Sofie hatte beschlossen, sein williges Opfer zu sein.
Sofie nickte stumm und beobachtete, wie der Ober ihr Glas mit goldgelbem Chablis füllte.
Edward lächelte, seine Grübchen vertieften sich. »So ist es gut, Sofie.«
Ein Schauder durchrieselte sie, eine Mischung aus Angst, Erregung und Leidenschaft - aber sie durfte sich nicht in ihn verlieben. Niemals. Sofie war keine Närrin. Eine Affäre mit ihm versprach himmlisch zu werden, das hoffte sie zumindest, obgleich sie keinerlei Erfahrung hatte und sich nicht mit anderen Frauen, die er besessen hatte, messen konnte. Dennoch wurde ihre Affäre wunderbar sein. Sie, die hässliche, hinkende, exzentrische Sofie O'Neil, würde erleben, was Leidenschaft bedeutete. Nie hätte sie gedacht, dass sich ihr diese Chance bieten würde - noch dazu mit Edward Delanza! Ihre Beziehung wurde unweigerlich enden, vermutlich früher, als ihr lieb war. Das musste sie sich vor Augen halten, musste darauf gefasst sein, noch ehe ihre Beziehung begann. Sie durfte nicht zulassen, dass sie sich in ihn verliebte, was immer auch geschehen mochte.
Hastig nippte Sofie am Weinglas. Der kühle, sonnengereifte Wein breitete sich wie flüssige Seide in ihrem Mund aus.
»Gut?« fragte Edward, der sie beobachtete.
»Köstlich«, antwortete sie lächelnd.
Während Edward ein mehrgängiges Menü bestellte, ließ Sofie ihre Blicke schweifen. Sie saß mit Edward Delanza an einem Fenstertisch im ersten Stock des Luxusrestaurants und genoss freie Sicht auf die Fifth Avenue und den Park am Madison Square. Paare spazierten unter Bäumen die Kieswege entlang, die Damen schützten ihre vornehme Blässe mit zierlichen, spitzenverzierten Sonnenschirmen, die Herren trugen kecke Kreissägen oder konservative Filzhüte. Im azurblauen Himmel schwebten weiße Wolken wie aus Watte.
Die Damen im Restaurant trugen kostbare farbenfrohe Kleider' die gewagten Dekolletes juwelengeschmückt, die Herren vorwiegend Grau. Die Tische waren mit weißem Damast bedeckt, Kristallgläser funkelten mit den Silberplatten und Schalen um die Wette. Die Mitte der Tische zierten frische Sommerblumen in Kristallvasen.
»Wer soll das denn bitte essen?« fragte Sofie, nachdem der Ober sich mit der Bestellung entfernt hatte.
»Wir müssen nicht alles aufessen«, meinte Edward lächelnd und senkte die Stimme. »Heute soll alles perfekt sein für Sie, Sofie.«
Sie spielte nervös mit der Silbergabel, dann hob sie den Blick. »Es ist alles perfekt, Edward«, flüsterte sie und nippte erneut an ihrem Glas. Ihr Puls hämmerte. Edward setzte seine im Atelier begonnene Verführung eindeutig fort. Sofie wusste, dass sie keinen Grund hatte, nervös zu sein. Edward war gewiss ein sanfter, erfahrener Liebhaber. Wohin würde er sie nach dem Lunch bringen? In ein verstecktes Liebesnest? In Sofies Kopf schienen Funken zu sprühen bei dem sündigen Gedanken, das Blut rauschte in ihren Schläfen.
»Warum sind Sie gegen die Ehe eingestellt?« fragte Edward unvermittelt.
Sofie ließ beinahe die Serviette fallen. »Wie bitte?«
Er wiederholte seine Frage.
Sofie sah ihn entgeistert an. »Eine höchst seltsame Frage, die Sie mir ausgerechnet in diesem Augenblick stellen.«
»Wieso? Als wir uns kennenlernten, erklärten Sie, nicht die Absicht zu haben, sich je zu verheiraten.« Edwards Augen leuchteten belustigt. »Das fand ich höchst seltsam. «
Sofie blickte in seine funkelnden Augen. Sie hatte ihm gleich zu Beginn ihrer Bekanntschaft erklärt, dass sie nicht zu heiraten beabsichtige, daran erinnerte sie sich genau. Und bei Gott, sie hatte keine Erklärung dafür, was sie dazu getrieben hatte, einem völlig Fremden dieses Geständnis zu
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