Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
Vom Netzwerk:
zu malen wäre so unmöglich, wie seinen eigenen Tod zu malen.“
    „Die Spinne würde wohl auch nicht still sitzen.“
    „Außer vielleicht auf mir, um das abzuschließen, was sie angefangen hat.“
    „Deine Seele zu fressen.“
    „Tut sie das?“
    „Ich weiß nicht. Du müsstest es wissen. Du warst schließlich dabei. Was genau hat sie denn getan?“
    Thorolf stand auf und ging zum Fenster. Die Katze strich in engen Kreisen um seine Beine. Er brauchte eine Weile, bis er wieder Worte fand.
    „Ich weiß nicht. Erst hat sie mich nur umgeworfen und ihre langen Krallen in mich gehackt. Sie waren wie Dolche und drangen mir ins Fleisch. Äußerst schmerzhaft. Ich dachte, sie hätte mich wirklich schwer verletzt, doch entweder hat Graf Arpad mich sehr gut geheilt oder … was weiß ich … Danach fing das Ding an, mir meinen Atem Zug um Zug zu stehlen und mit ihm Fetzen von meinem Mut, meinem Willen, meinem Wollen, meiner Hoffnung, Stärke, Gesundheit. Alles, woraus ich gemacht bin. Es stahl mir meine Essenz. In einem Kannibalenkessel zu sitzen kann nicht schrecklicher sein.“
    Eine Weile schwiegen sie, und Thorolf hob automatisch die Katze hoch und hielt sie im Arm.
    „Ich lag im Sterben. Ich war mir des Todes bewusst. Ich hatte den letzten Abgrund erreicht, und er bröckelte unter meinen Füßen. Wie bröselnder Fels zerstob mein Leben direkt unter mir, und ich begann zu fallen, stürzte. Wenn dieser … Graf Arpad nicht erschienen wäre, um mich zu retten, wäre ich nun tot, ausgehöhlt. Eine leere Fleischhülle. Nicht einmal schreien konnte ich.“
    Die Katze schmiegte sich an ihn an und gab ein kleines Jammern von sich.
    „Dann hast du wirklich Grund, dankbar zu sein, und ich habe etwas Neues gelernt, das nicht in unserer Bibliothek steht.“
    „Aber du kannst es nicht hinzufügen.“
    Ian seufzte.
    „Genau. Das ist wirklich schade.“ Er trank seinen Tee aus und stand auf. „Ich mach mich besser auf den Weg. Ich muss den Folioband zurückbringen. Ich wünschte, ich hätte noch mehr daraus lernen können. Aber Graf Arpad ist eine Weile geblieben.“
    „Habt ihr über mich gesprochen?“
    Ian lachte.
    „Kaum. Wir haben die meiste Zeit über mich gesprochen.“
    „Du magst ihn!“ Thorolf sah den jüngeren Mann an, der bis an die Haarwurzeln errötete.
    „Ja, und du solltest ihn auch mögen. Was immer dein Schicksal sein mag, er ist ein Teil davon.“
    Die Katze wand sich, und er setzte sie ab und schob die dunkeln Erinnerungen beiseite.
    „Das Schicksal!“, gab er zurück, und sein Lächeln wurde zynisch. „Wir werden sehen. Ich mache mich besser auch fertig, nur für den Fall, dass mein Modell zu früh auftaucht.“
    Ian grinste.
    „Tu nichts, was die Katze schockieren könnte!“
    „Ich werde sie in deinem Zimmer einschließen, falls doch.“
    „Du bist unverbesserlich. Wie kannst du so … unbesorgt … sein, nach allem, was dir geschehen ist?“
    Thorolf seufzte, nahm seinen Löffel und rührte noch ein wenig nutzlos in seinem Tee.
    „Ich lebe. Nach dem, was mir vor zwei Nächten zugestoßen ist, habe ich dazu kaum ein Recht. Ich lebe gleichsam auf Pump, von geborgter Zeit. Meine Füße haben den sicheren Grund unter mir noch nicht wieder erreicht. Ich schwebe auf der praktischen Unmöglichkeit dahin, dass ich noch unter den Lebenden weile. Mit einem schlagenden Herzen und einer unversehrten Seele. Deshalb mein Übermut. Ich sollte todernst sein – oder ernsthaft tot. Ich habe versagt. Ich habe eine Katze gerettet, aber ein Mädchen sterben lassen, und allzu ernsthaft zu sein würde bedeuten, die Realität des Ganzen ein für alle Mal zu akzeptieren. Als wäre meine Weigerung, mich zurück auf dem festen Boden der Tatsachen zu finden, die einzige Möglichkeit nicht glauben zu müssen, dass dieses süße, junge Wesen sterben musste ... Es tut mir leid, wenn ich nur blanken Unsinn von mir gebe.“
    „Was du sagst, ergibt durchaus einen Sinn. Wenn du mit Worten schon so geschickt malen kannst, denke ich, wird es dir auch gelingen, von deinem verdächtigen Bekannten einen entsprechend hohen Preis für dein Klang-Bild einzuschachern.“
    Thorolf setzte sich wieder.
    „Vielleicht macht es keinen Unterschied mehr, ob ich es kann. Nachdem ich das Motiv, das ich am meisten malen wollte, an eine Spinne verloren habe, ist es im Grunde nur passend, dass ich stattdessen das Ungeheuer male. Die bildenden Künste sowie die Literatur haben wenig Sinn für Helden, die bei ihren Abenteuern den Kürzeren

Weitere Kostenlose Bücher