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Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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auszog oder danach.
    Sie trat dicht an ihn heran und hielt ihm die Hand entgegen, und er nahm sie und vollführte einen vollendeten Handkuss, wie er ihn einer Fürstin hätte geben können. Einer seiner Lehrer hatte ihm einst beigebracht, dass für einen echten Gentleman jede Frau eine Dame sei – bis das Gegenteil bewiesen war. Vielleicht war er ja nicht wirklich das Paradebeispiel eines Gentlemans. Aber als er sich wieder aufrichtete und sein Blick am weiten Ausschnitt hängen blieb, meinte er, dass sie auch nicht eben das Paradebeispiel für eine Dame abgab.
    Doch das war einerlei.
    Er führte sie ins Atelier – oder Wohnzimmer – und geleitete sie zum Paravent. Sie hielt inne und wandte sich ihm zu.
    „Keinen Kaffee heute?“, fragte sie schmunzelnd und ein wenig herausfordernd. Vielleicht mochte sie Kaffee wirklich. Oder sie versuchte, aus der geschäftlichen eine Privatangelegenheit zu machen.
    „Tut mir leid“, sagte er. „Kaffee ist aus. Ich kann Ihnen Kräutertee anbieten. Er schmeckt gut. Möchten Sie?“
    Ihr Blick senkte sich in seinen, und er konnte sehen, dass sie tatsächlich darüber nachdachte. Ein Tässchen Was-auch-immer mit ihm zu schlürfen stand wohl hoch auf der Prioritätenliste.
    „Ich mag keinen Kräutertee“, seufzte sie. Pech gehabt. Er grinste.
    „Das tut mir leid. Mein Wohnungsgenosse und ich müssen leider sehr haushalten.“
    Es war ganz gut, das mal zu erwähnen.
    „Oh.“
    Sie machte einen weiteren Schritt auf den Paravent zu und blieb stocksteif stehen, als Catty hinter ihm hervorrannte und es sich auf der Couch bequem macht. Die Schwanzspitze zuckte. Bei einem Hund hätte das Freude bedeutet. Doch Catty machte nicht den Eindruck, als würde sie sich freuen.
    „Sie haben eine Katze!“, rief Lena wenig begeistert. „Das wusste ich nicht!“
    „Sie ist eben erst eingezogen. Catty, darf ich dir Lena vorstellen, sie sitzt mir Modell. Lena, dies ist Catty.“ Lena rührte sich nicht und sah auch nicht glücklich aus. Vielleicht hatte sie den Lapsus bemerkt, dass Thorolf zuerst sie der Katze vorgestellt hatte und nicht umgekehrt, obgleich Thorolf sich nicht sicher war, ob die käufliche Schönheit wirklich über das Wissen verfügte, mit welchen Feinheiten formellen Benehmens man einen sozialen Rang festlegte.
    „Ah“, sagte sie gleichgültig. „Fängt hoffentlich viele Mäuse.“
    „Das wage ich zu bezweifeln. Vielleicht lernt sie es noch.“
    „Eine Rassekatze? Ist sie wertvoll?“ Offensichtlich war das Konzept, eine Katze nur so aus Spaß zu besitzen, Lena nicht eingängig.
    „Eine sehr wertvolle Katze. Meine nämlich.“
    Eine sanfte Liebkosung war die Belohnung. Catty war von der Couch gesprungen und schmiegte sich schnurrend an seine Beine. Sie schien plötzlich sehr angetan.
    Er beugte sich hinunter und hob sie hoch.
    „Sie ist bezaubernd, nicht?“, neckte er.
    „Vermutlich“, lautete die trockene Antwort. Lena hasste Katzen.
    Als er keine Anstalten machte, die Katze loszulassen, trat Lena hinter die spanische Wand und begann, sich auszuziehen.
    „Was machen wir heute?“, fragte sie.
    „Ich werde noch einmal versuchen, Sie zu zeichnen.“
    „Sie haben mir die letzten Entwürfe nie gezeigt.“
    „Nein.“
    „Wird Ihre Mutter wieder vorbeikommen?“
    Er hatte versucht, nicht an seine Mutter zu denken, weil er nicht wusste, wie er sich ihr gegenüber verhalten sollte. Ganz gewiss wollte er sie nicht sehen, wollte das schöne, wenngleich auch alternde Gesicht nicht mit einem neuen Bewusstsein anschauen. Es war ihm unmöglich zu akzeptieren, dass sie nicht die Heilige war, für die er sie gehalten hatte, nicht der Inbegriff tugendhafter Wohlanständigkeit. Was sie war oder gewesen war, mochte man in ihrer Zeit Hetäre genannt haben, oder Buhle, Bajadere, eine Frau, die in der Abhängigkeit eines Mannes lebte, mit dem sie nicht verheiratet war, eine Kurtisane mit nur einem Kunden.
    Seinen Vater hatte sie betrogen.
    Nur war sein Vater nicht sein Vater. Er spürte Zorn in sich hochsteigen bei dem Gedanken der Unausweichlichkeit von Fakt und Märchen. Sein Vater trank Blut, unterhielt sich mit Riesenspinnen und war nichts als ein Nachtschatten.
    Er fragte sich, was Lena sagen mochte, so sie wüsste, dass er zur Hälfte ein Fabelwesen war. Vermutlich würde sie lauthals schreiend davonstürzen.
    Das Modell trat hinter dem Paravent hervor und auf ihn zu, ein Lächeln auf den Lippen. Das Lächeln erstarb, als sie seine Miene sah.
    „Ist etwas geschehen, Herr

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