Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
Tränen in den Augen, doch es waren Tränen der Wut, nicht des Schmerzes. Ihr hübsches Gesicht war zu einer rachsüchtigen Fratze verzogen und hatte jede Schönheit verloren.
„Ich bin noch nie von einer Katze angegriffen worden! Ich bin noch nie so gedemütigt worden. Ein gottverdammtes Haustier! Ich will, dass Sie es umbringen! Bringen Sie es um!“
„Nein. Sie haben nur ein paar Kratzer, Lena. Sie sind nicht in Lebensgefahr, und die kleine Kreatur dort ist kein menschenfressender Tiger, vor dem man sich fürchten müsste.“
„Ich bin voller Blut!“
„Es hat doch schon aufgehört zu bluten, und die Kratzer sind auch nicht tief genug, als dass Sie davon Narben davontragen könnten. In ein paar Tagen werden Sie nicht mehr dran denken.“
„Ich habe gute Lust, die ganze Sache bei der Gendarmerie anzuzeigen. Dieses Tier …“
„Was werden Sie der Gendarmerie denn sagen, was Sie nackt im Schlafzimmer eines fremden Herrn gemacht haben? Es würde Sie Ihren Ruf kosten. Wo ich herstamme, gibt es Gesetze gegen Unmoral, und ich wette, hier ist es nicht anders. Nein. Ich gebe Ihnen Geld, und wir vergessen die ganze Sache. Es tut mir leid, dass wir das hier nicht beenden konnten. Sie sind eine verführerische Verlockung und sehr geschickt, meine Hübsche.“
Sie stierte ihn an. Seine Hübsche war nicht mehr allzu attraktiv.
„Aber“, fuhr er fort, „wenn wir uns zum Malen wiedersehen, dann in der Akademie. Dort gibt es keine Katzen, und ich werde ein besserer Maler, wenn ich den Pinsel schwinge, anstatt … den Pinsel zu schwingen.“ Er lächelte und hoffte, der kleine Witz würde ihre Wut abklingen lassen.
Sie sah ihn verständnislos an.
„Geld?“, fragte sie. „Glauben Sie ja nicht, Sie können mich mit ein paar Kreuzern abspeisen.“
„Das glaube ich keinesfalls. Ich weiß, was Sie wert sind.“ Der Satz mochte ein wenig zweideutig sein, doch sie bemerkte es nicht. Sie stand auf und ging zur Schlafzimmertür. Ein hübscher Körper. Doch die Verlockung war verschwunden. Noch ein paar Augenblicke, dann würde sie wieder angekleidet sein, sie würde ihre Hand aufhalten und Schmerzensgeld verlangen. Blutgeld – sozusagen.
Was immer es an Leidenschaft und Romantik gegeben haben mochte hatte sich nun vollständig verflüchtigt. Die Katze hatte die Frau bluten lassen, und sie würde nun ihn bluten lassen. Zwei Aderlässe besonderer Art.
Er half ihr nicht beim Anziehen, sondern nutzte die Zeit, um Geld aus seiner Schatulle zu nehmen. Er bekam jeden Monat eine nette Summe aus ererbten Immobilien, so musste er nicht am Hungertuch nagen. Außer vermutlich diesen Monat.
Er seufzte. Der Tag hatte schlecht angefangen und wurde rasch mieser.
Durch die Geräuschkulisse vor sich hin gemurmelter Schimpftiraden aus dem Atelier wurde ihm klar, dass er dieses Liebesspiel wirklich gerne zu Ende gebracht hätte. Er hätte sich jetzt erheblich besser gefühlt. Seine Frustration und seinen Ärger hätte er so abreagieren können, hätte sie in Leidenschaft und Erregung umgesetzt. Außer seiner Laune hätte das zwar überhaupt nichts verändert, doch das allein wäre schon einiges wert gewesen, so wie die Dinge lagen. Ein wenig Liebe und Erfüllung. Er brauchte es wie Nahrung. Das war immer so gewesen, und bekommen hatte er auch immer, was er wollte.
Verdammt sollte die Katze sein! Er würde sich um sie kümmern, sobald Lena fort war.
Auf die Straße würde er sie werfen.
„Verdammt sollst du sein“, zischte er das am Boden kauernde Kätzchen an. „Verdammter, unverschämter Störenfried! Du wirst schon sehen, was du davon hast, wenn du ab heute wieder unter freiem Himmel wohnst. Zusammen mit deinem Lieblingshund. Dann heißt es wieder Frühstück sein statt Frühstück bekommen.“
Große Topasaugen blickten verängstigt zu ihm hoch, und eine Träne fiel.
Er hatte nicht gewusst, dass Katzen weinen konnten.
Kapitel 44
Die Welt hatte aufgehört zu surren und sich zu drehen und erstreckte sich nun in erschreckender Weite über ihr. Eine riesige, beängstigende Welt. Alles war zwanzigmal zu groß, und sie war doch nur ein Mädchen. Eine Katze. Außerdem hatte es wehgetan.
Ihr Kopf hatte die Wand nicht mit voller Wucht getroffen, doch der Aufschlag war ihr dennoch durch Mark und Bein gegangen. Es war nicht mal der Schmerz. Der war nicht so schlimm. Es waren die Scham und die Erkenntnis, dass sie etwas Unglaubliches getan hatte.
Sie fühlte sich schwach, und ihr war übel. Das hätte er niemals tun dürfen. Er
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