Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)
Doch meine Instinkte sind weitaus feiner. Meine Sinne vermitteln mir Dinge, die andere sich erarbeiten müssen. Das macht mich vermutlich unbeliebt. Wissen Sie, Bruder Douglas, das tatsächliche Ausmaß meiner Fähigkeiten kann ich noch nicht einmal selbst einschätzen. Doch das kann vermutlich niemand.“
Sutton nickte und hob den Bierkrug. Er nahm einen langen, kräftigen Schluck und setzte dann den schweren Krug wieder ab.
„Ich glaube“, sagte er, „dass man weniger Angst vor den Extramöglichkeiten hat, die Sie entwickeln mögen, als vor dem Extrawissen, das Sie eventuell zurückhalten.“
Ian sah ihn argwöhnisch an und sagte nichts darauf.
„Ich bin ziemlich sicher, dass keiner von uns glaubt, Sie hätten diese Geschichte mit den Energielinien angefangen. Das hätte man herausgefunden. Aber ich bin doch recht neugierig, ob Sie tatsächlich nicht mehr darüber wissen, als Sie zugeben.“
„Wenn ich Wissen hätte, das keinem weiterhilft und nur dazu taugt, dass man mich solange traktiert, bis mir der Kopf platzt – oder das Herz –, was für einen Unterschied würde das machen?“
„Jede noch so kleine Information macht einen Unterschied. Die vier Männer, die sich in der Pflege jener plattfüßigen Schwester befinden, werden sterben. Stunde um Stunde rücken sie dem Tod näher. Das wissen Sie.“
Ian schüttete noch etwas Bier hinunter und sagte eine Weile nichts. Er fragte sich, warum Sutton glaubte, er wisse mehr. War es so augenscheinlich? Vier Männer waren dem Tod nahe, und er wusste nichts, was ihnen helfen konnte. Dennoch wusste er das eine oder andere, das in der Gesamtheit gesammelten Wissens vielleicht etwas bedeuten mochte. Sein Wissen oder immerhin sein Reden mochte ihn umbringen. Doch in einer solchen Situation zu schweigen war unethisch.
Er sah von seinem Bier auf.
„Ich weiß sehr wenig, Bruder Douglas, und ich kann niemandem erklären, woher ich es weiß. Was ich Ihnen sagen kann, werde ich sagen, und ich bitte Sie, mich nicht nach der Quelle zu fragen. Glauben Sie, Sie könnten Ihre Neugier für mich so weit zügeln?“
„Unwahrscheinlich“, gab Sutton zu. „Aber wir werden sehen. Sie können sich ja immer weigern, weitere Fragen zu beantworten.“
Ian nickte und faltete die Hände um den Krug, als sei er ein Abendmahlskelch. Dies war seine Chance, die Wahrheit zu sagen. Es war auch eine vorzügliche Möglichkeit, sich umzubringen. Sterben wollte er nicht. Er lebte gern. Jeder Tag war ein Geschenk, jede neue Erkenntnis eine Gabe. Er erinnerte sich an die sanften Hände, die ihn in der Nacht zuvor gehalten hatten. Diese gleichen Hände mochten ihn jederzeit umbringen. Sie hielten sogar jetzt sein Herz und konnten es anhalten.
Doch sein Leben war nicht das einzige, das in Gefahr war.
„Das mit den Energielinien ist ein Fey-Problem“, begann er, als hielte er einen Vortrag. „Ein Feyon muss es zu einem bestimmten Zweck ausgelöst haben – und ich weiß nichts über diesen Zweck. Wirklich nicht. Ich weiß auch nicht, wer es ist oder wie man es aufhält. Ich weiß nur, dass das Phänomen den Mann, der mir das erklärt hat, nicht weiter beunruhigt hat. Es ist wohl selten, aber kommt durchaus mal vor.“
Sutton lehnte sich vor.
„Wer ist der Mann?“, fragte er.
Ians Mund schloss sich. Er holte tief Luft und sagte nichts. Stattdessen lauschte er in sich hinein, versuchte, seinem eigenen Herzschlag zu folgen. Hören konnte er ihn nicht, doch er spürte in sich eine Art Flattern. Seine eigene Nervosität war der Auslöser für sein Schicksal, da war er sich sicher.
„Ich kann’s Ihnen nicht sagen“, sagte er.
„Sie meinen, Sie wollen es mir nicht sagen“, gab der Kollege aggressiv zurück. Seine sonst so humorvollen Augen waren ernst geworden.
Die Stille im Schankraum war bedrückend geworden. Nur das Ticken der Standuhr war zu hören. Ian spürte den Blick des anderen auf sich. Er wartete, wartete auf eine Erklärung, die Ian das Leben kosten würde.
„Ich meine, ich kann’s Ihnen nicht sagen und überleben“, sagte er schließlich. Im gleichen Moment krampfte er sich zusammen, und seine Hände flogen an seine Brust. Schmerz fuhr durch ihn hindurch. Er brauchte eine Weile, um sich so weit zusammenzureißen, dass er wahrnahm, was er tat. Dies sollte ihn nicht umbringen. Er hatte Arpad nicht verraten, hatte nicht den Mann verraten, der sein Blut getrunken und ihn auf eine neue und unerhörte Reise mitgenommen hatte. Seinen Sohn ebenso wenig.
Er fühlte eine
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