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Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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nun schien es wiederum zu spät zu sein.
    Unter gebildeten Menschen sprach man ohnehin nicht über derlei Themen. Dennoch sollte es durchaus ein Thema sein, worüber man reden konnte, denn es beeinflusste die Lebensentscheidungen der Menschen in so einem erstaunlich hohen Maße.
    Da saß er nun und starrte in sein Buch. Forschen sollte er. Jeden anderen Gedanken sollte er aus seinem Hirn verbannen. An all das zu denken mochte ihn das Leben kosten. Doch die Erinnerung war stärker als seine Entschlusskraft oder sein Wille – dabei hielt er sich nicht für einen willensschwachen Menschen. Das mit dem Zölibat hatte in der Tat etwas für sich. Absolutes Zölibat in jeder Form. Reinheit des Geistes war schwer zu erlangen, wenn das Gedächtnis des Körpers sich nur um die Fragen drehte, was geschehen sein mochte oder nicht, was noch geschehen konnte oder nicht und ob das gut oder schlecht wäre. Zu spät, um das noch zu ändern.
    „Wer ist das Mädchen?“, fragte eine Stimme hinter ihm. Er erkannte sie sofort und erschrak fast zu Tode. Valerios. Eine heiße Panikwelle erfasste ihn. Die Kommentare und die Fragen Meister Valerios’ waren so lebensbedrohlich wie ein Erschießungskommando. Daran hätte er denken sollen, bevor er sich in den Erinnerungen an leidenschaftliche Augenblicke und verbotene Früchte erging.
    Er errötete und wandte sich um, während er versuchte, seine atemlose Angst zu verbergen.
    „Sagen Sie mir nicht, dass Sie ausschließlich auf dieses Buch konzentriert waren“, fügte der Meister hinzu, und sein verkniffenes Gesicht wirkte noch strenger als sonst. „Ich bin nicht leicht zu täuschen. Sie kennen die Regeln.“
    Ian lächelte den Mann reumütig an. Ein Mädchen. Valerios glaubte, da sei ein Mädchen. Das sollte er besser weiter glauben. Blond und blauäugig vielleicht? Mit runden Brüsten.
    „Die Empfehlung der Loge ist mir geläufig. Ein Gesetz habe ich nicht gebrochen.“ Ganz ruhig sein. Der halbe Erfolg eines Meisters beruhte darauf, dass er in chaotischen Situationen nicht die Ruhe verlor. Allerdings war „ruhig“ ein schwieriges Wort, dessen Bedeutung sich Ian derzeit verschloss.
    Dunkle Augen spießten ihn auf, und Ian schauderte, während er versuchte, seinen Geist freizumachen von jedem Überbleibsel an Sehnsucht und Verlangen, das ihm vielleicht noch anhaftete wie eine Zielscheibe.
    „Kein Gesetz. Einen Rat. Sie sollten auf Ihre Meister hören! Wir sind die Menschen, die nie etwas ohne triftigen Grund tun. Erinnern Sie sich?“
    Er erinnerte sich. Ein triftiger Grund für alles, was er je in seinem Leben tun würde – weniger verlangte man nicht von ihm und seinen Brüdern. Hatte er diese Regel gebrochen?
    „Ich wollte nicht respektlos erscheinen, Meister Valerios.“
    „Es ist Ihnen einfach so passiert?“ Die Stimme des Spaniers klang spöttisch.
    Ian unterdrückte ein Lächeln und senkte den Blick, während er die Erinnerung an lockende schwarze Augen aus seinen Gedanken verbannte. Manches passierte einfach so.
    „Ich wüsste nicht, was daran komisch ist!“
    „Nichts, Meister.“
    „Es ist unerhört, wie Sie sich in Gedanken im Vergnügen suhlen, während Ihre Brüder leiden.“
    „Ja, Herr Professor. Es tut mir leid.“
    „Wer ist sie nun?“
    Ian errötete. Was nun?
    „Meister, ich bin Primaner der Aroria-Loge. Nicht zuletzt deshalb bin ich auch ein Gentleman.“
    „Als Primaner der Aroria-Loge sind Sie aber auch per Eid zum Gehorsam gegenüber Ihren Vorgesetzten verpflichtet.“
    Ian fröstelte.
    „Ja, Herr Professor. Doch ich hoffe, dass Sie in diesem besonderen Fall den Gehorsam nicht einfordern werden.“ Ausgerechnet Meister Valerios seine Abenteuer von letzter Nacht zu beichten war jenseits jeder Vorstellung. Umbringen würde es ihn zudem. Die Frage war nur, würde er vor einem Herztod an der schieren Peinlichkeit der Situation zugrunde gehen? Fast konnte er die Stimme des anderen Mannes schon hören: „Sie haben WAS getan?“
    Lügen war keine Option. Einen Meister anzulügen war unmöglich. Halbwahrheiten waren also das Einzige, worauf er bauen konnte. Vielleicht gelang es ihm, den Mann an seinen eigenen Fehleinschätzungen entlangzuführen. Wenn dieser seine Befragung in einen direkten Befehl ummünzte, sofort alles zu verraten, dann war Ian verloren.
    „Warum sollte ich das nicht tun?“, fragte Valerios.
    „Ich würde mein Wort brechen müssen.“ Das war keine Lüge.
    „Welches gegebene Wort möchten Sie nicht brechen – das, das Sie Ihrer

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