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Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition)

Titel: Jenseits des Karussells: origin - Preisgekrönt und aufregend anders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ju Honisch
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Wohnung. Sie hatte Angst gehabt, er würde ihr die Tür ins Gesicht schlagen und sie draußen stehen lassen. Wütende junge Männer schossen gern übers Ziel hinaus. Thorolf war da keine Ausnahme. Er konnte recht aufbrausend sein.
    Doch sein Benehmen war zu gut und sein Wesen zu gutmütig, um sich so zu verhalten. Also führte er sie zum Sofa und ließ sie niedersetzen. Er goss ihr ein Glas Wasser ein und drehte ihr dabei den Rücken zu. Sie nahm einige Skizzen hoch, die auf dem Tischchen neben dem Sofa lagen. Alte Skizzen. Sein Traummädchen. Das Mädchen, das er immer zeichnete, wenn er gerade kein greifbares Motiv vor sich hatte. Sie kannte diese Züge in- und auswendig. Sie legte die Skizzen wieder mit der Rückseite nach oben hin.
    „Wie kommst du mit deiner Malerei voran?“, fragte sie, und er hielt einen Moment inne, bevor er ihr das Glas Wasser reichte.
    „Bitte, Mutter, versuche nicht, dich mit ein bisschen lauer Plauderei aus dieser Sache zu winden. Du hast mich zu einem Bastard gemacht. Einem Wechselbalg. Einer Absurdität. Ich kann nicht ändern, was ich bin. Aber du kannst nicht erwarten, dass ich das billige.“
    Sie nippte vorsichtig an dem Wasser.
    „Ich weiß“, sagte sie dann. „Ich wusste immer, dass du das nicht … billigen würdest. Doch ich habe gehofft, du würdest es zumindest verstehen. Liebe ist … Wirst du mich wenigstens anhören? Bitte?“
    Er wandte sich von ihr ab, und ihr Herz verkrampfte sich.
    „Wozu? Du hast getan, was du getan hast, und ich kann es nicht ändern. Ich habe nur die Folgen zu tragen, und darüber reden möchte ich nicht. Nicht jetzt. Nicht so bald. Vielleicht nie.“
    Sie stand nicht auf, obgleich sie begriff, dass das die Beendigung ihres Gespräches bedeutete.
    „Nie ist eine sehr lange Zeit, Thorolf“, sagte sie so ruhig wie möglich. „Ich verstehe deinen Schock, und ich verstehe auch deine Enttäuschung. Aber bitte … ich bitte dich …“
    „Du bist gut versorgt und brauchst mich nicht, Mutter. Auch ich bin gut versorgt. Es gibt also keinen Grund, dass wir weiter miteinander …“ Er beendete den Satz nicht, doch sie verstand, dass er froh war, ihr gegenüber keine Verpflichtungen zu haben. Er konnte sie aus seinem Leben streichen, ohne sich schuldig fühlen zu müssen, dass er seine alte Mutter etwa in Armut zurückließ.
    Ein Kätzchen sprang neben ihr aufs Sofa, ein niedliches, kleines Tier mit ingwerroten Tigerstreifen. Topasfarbene Augen sahen sie neugierig an, beinhalteten so viel intelligenten Wissensdurst, wie man ihn von so einem kleinen, pelzigen Wesen kaum erwarten mochte.
    „Du hast eine Katze?“, fragte sie einen Moment lang abgelenkt.
    „Ja. Ich habe eine Katze. Etwas dagegen?“
    „Aber nein.“ Sie zog die Handschuhe aus und streichelte das seidige Fell der zierlichen Kreatur, als könne sie das über die Situation hinwegtrösten. Das Kätzchen sah ließ sich schnurrend kraulen.
    „Thorolf, ich …“
    „Mutter, es wäre mir lieber, du würdest jetzt gehen. Es gibt nichts zu sagen. Dein … mein Vater hat versprochen wiederzukommmen und mir mehr über meine Abstammung zu erklären. Bislang hat er das nicht getan. Unser erstes Gespräch war recht einseitig. Ich habe ihm zunächst nicht geglaubt, aber ich habe wohl keine andere Wahl. Doch du kannst nicht erwarten, dass diese Neuigkeiten mich glücklich machen.“
    „Er ist ein guter Mann, Thorolf . Natürlich ist er ganz anders …“
    „Er ist ein gottverdammter, verfluchter …“
    „Thorolf! Bitte mäßige deine Ausdrucksweise!“ Sie hätte ihn nicht schelten sollen, doch alte Gewohnheiten konnte man nur schwer ablegen. Jetzt starrte er sie an, sein Gesicht voller Zorn.
    „Du kritisierst meine unpassende Sprache? Dass du den Nerv dafür hast! Du hast gelebt wie eine …“
    „Thorolf! Sag das nicht!“
    „Du hast meinen Vater – oder genauer: deinen Gatten hereingelegt, dich zu heiraten, nachdem du jahrelang eine Buhlschaft von ungeheurer Niedrigkeit geführt hast. Du hast den Mann, der dir seinen Namen und ein Heim gegeben hat, betrogen und ihm einen Kuckuck ins Nest gelegt. Was für ein Glück für dich, dass er so früh verstarb! Hat dein Liebhaber da vielleicht ein wenig nachgeholfen? Hast du …“
    Ohne noch darüber nachzudenken, war sie aufgesprungen, und ihre Hand flog hoch, um ihn zu ohrfeigen. Man schlug keine erwachsenen Männer, nicht einmal wenn sie Söhne waren. Ganz besonders dann nicht. Er fing ihre Hand in der Bewegung. Ungeheuer flink. Ganz der

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